Der Nobelpreis für Medizin und Physiologie ging in diesem Jahr
an drei US-Biologen: Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak.
1985 hatten Blackburn und ihre damalige Doktorandin Carol Greider im
Zellkern von Wimpertierchen, das sind mikroskopisch kleine behaarte
Lebewesen, das Enzym Telomerase entdeckt, zu deren Entdeckung Jack Szostak
wichtige Vorarbeiten geleistet hatte. Alle Moleküle, die im Namen
hinten ein „-ase“ aufweisen, sind Enzyme. In keinem Lebewesen
läuft irgendetwas ohne diese Moleküle. Wir alle - Menschen,
Tiere, Pflanzen, Bakterien - wachsen, verdauen, atmen und scheiden aus,
und immer kontrollieren Enzyme das Geschehen.
Die Telomerase ist etwas Besonderes und hat mit den Chromosomen zu
tun. Die Chromosomen sitzen im Zellkern und enthalten die Gene. Normalerweise
kann man Chromosomen im Mikroskop nicht sehen. Erst wenn sich eine Zelle
teilt und der Biologe ein geeignetes Färbemittel einsetzt, werden
diese winzigen Strukturen sichtbar. Am Ende der Chromosomen sitzen die
Telomere. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie
„Endteil“. Telomere sind für die Stabilität von
Chromosomen von großer Bedeutung. Sie enthalten Gensequenzen,
die extrem oft, in Säugetieren sogar mehrere tausendmal, wiederholt
werden. Diese „hochrepetitiven Sequenzen“ dienen übrigens
in der Kriminalistik zur Identifizierung von Verbrechern oder Verbrechensopfern.
Bevor sich eine Zelle teilt, teilen sich die Chromosomen. Schüler
in Gymnasien lernen diesen Vorgang unter dem Begriff „Mitose“
kennen. Das Dumme ist nur, dass sich die Telomere nach jeder Zellteilung
verkürzen. Das für die Chromosomenteilung wichtige Enzym „Polymerase“
versagt hier gewissermaßen. Wenn die Telomerlänge ein kritisches
Maß unterschreitet, tritt der Zelltod ein. Das Leben junger Zellen
wäre viel zu kurz, wenn es nicht einen enzymatischen Jungbrunnen
namens Telomerase gäbe. Dieses Enzym kann die Verkürzung der
Telomere ausgleichen.
Der Haken an der Sache liegt nun darin, dass das Enzym nur in Stamm-
und Geschlechtszellen seine nützliche Funktion ausübt. Am
Beginn des Lebens tut die Telomerase das, was sie nach unserer Wunschvorstellung
immer tun sollte. Sie beschützt die Chromosomen und achtet darauf,
dass sie nicht verkümmern. Wird die Telomerase in älteren
Körperzellen aktiv, kann Krebs entstehen. Das Reparaturenzym -
zur falschen Zeit am falschen Ort – wird zur tödlichen Falle.
In den Neunzigerjahren glaubten Biologen und Mediziner, dass eine Kontrolle
der Telomerase den Krebs besiegen könnte. Dieser Traum ist nicht
in Erfüllung gegangen, trotzdem hat die Telomeraseforschung ein
großes Tor zu neuem Wissen geöffnet.