Wer die Evolutionsbiologie kritisiert, attackiert meist einen Teil
der Theorien von Charles Darwin. Das bringt aber nichts, weil Darwins
Theorien 150 Jahre alt und aus heutiger Sicht unvollständig sind.
Darwins Verdienst war es, der Biologie die entscheidende Richtung gegeben
zu haben. Vor Darwin waren die Biologen Sammler, die sich mit Beschreibungen
begnügten, nach Darwin stand ein System zur Verfügung. Später
kamen die vergleichende Embryologie, die von Gregor Mendel begründete
klassische Genetik, die Molekularbiologie und schließlich die
Gentechnik. Letztere ermöglicht es, die Verwandtschaftsbeziehungen
der Arten aus den Genen direkt abzuleiten. Alle diese wissenschaftlichen
Disziplinen formten zusammen mit der Paläontologie die Evolutionsbiologie.
Die Evolution des Lebens ist längst zu einem mächtigen Wissensgebiet
herangewachsen, vergleichbar der Thermodynamik und der Quantenphysik.
Wenn es eine Abstammung der Arten gibt und dies auf Naturgesetze zurückzuführen
ist, dann muss eine Entstehung neuer Arten auch heute zu beobachten
sein. Tatsächlich gelang es den Genetikern, unzählige Geschwisterarten
zu identifizieren. Es handelt sich dabei um Populationen, die sich äußerlich
nicht unterscheiden lassen, die gleichen Chromosomen im Zellkern besitzen,
eindeutig aber neu entstandene Arten darstellen. Der Schreiber dieser
Zeilen hatte vor Jahren das Glück, aus einer tropischen Insektenpopulation
Geschwisterarten isolieren und damit Evolution direkt beobachten zu
können.
Auch die Entstehung von Tierstämmen kann man erklären. Wir
wissen beispielsweise, dass sich unsere Wirbelsäule aus einem stabförmigen
Organ, der Chorda, entwickelt hat. Diese Chorda entstand vor Jahrmillionen
nach einer simplen Genverdoppelung durch Abspaltung aus einem embryonalen
Urdarm.
Die heftigste Kritik an der Evolutionsbiologie betrifft das Prinzip
der Selektion. Die Behauptung, Darwin hätte seine Lehre auf dem
„Überleben des Stärkeren“ aufgebaut und damit
den politischen Rassismus begründet, ist falsch. Der Satz „Survival
of the Fittest“ stammt aus dem Buch „Principles of Biology“
von Herbert Spencer. Darwin zitierte den Satz in seinen späten
Werken. Die deutsche Übersetzung von „Fittest“ in „Stärkster“
ist dilettantisch und wird Darwins Ideen nicht gerecht. Dessen „Fitness“
ist gut durchdacht und betrifft beispielsweise auch die Sozialinstinkte
einer Tierart. Damit war Darwin auch der erste Verhaltensbiologe. Der
österreiche Verhaltensforscher Konrad Lorenz hatte seinen Nobelpreis
1973 für die konsequente Weiterentwicklung der von Darwin begründeten
Verhaltensbiologie erhalten.