Warum gibt es Materie? Warum existiert unsere Welt? Wer nach Naturgesetzen
fragt, die bei der Entstehung des Universums eine Rolle spielten, landet
beim Begriff „Symmetriebruch“, der in diesem Jahr bei der
Verleihung des Physiknobelpreises eine Rolle spielte. Der Preis geht
zur Hälfte an den Amerikaner Yoichiro Nambu für die Entdeckung
des Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung. Die andere Hälfte
des Preises erhielten die Japaner Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa
für die Entdeckung der Ursprünge der gebrochenen Symmetrie,
wobei die Existenz von mindestens drei Familien von Quarks richtig vorhersagt
wurde.
Es ist kein Wunder, dass die diesjährige Nobelpreisankündigung
zwar in den Medien erwähnt wurde, ansonsten aber kaum auf Interesse
gestoßen ist. Wer kann sich schon etwas unter einer „gebrochenen
Symmetrie“ vorstellen? Das Ganze klingt nach einem wohlgeformten
Gegenstand, wie etwa ein Flügelaltar oder ein griechischer Tempel,
dem ein Seitenteil abhanden gekommen ist. In Wahrheit geht es beim Symmetriebruch
um eine der fundamentalsten Dinge des Universums. Wären die Naturgesetze
perfekt symmetrisch, dann gäbe es keine Sterne, auch keine Erde,
es gäbe überhaupt keine Materie. Es gäbe ganz einfach
nichts. Materie und Antimaterie hätten sich im Falle einer vollständigen
Symmetrie nach dem Urknall vor rund 16 Milliarden Jahren augenblicklich
gegenseitig vernichtet. Der Symmetriebruch der Natur hat bewirkt, dass
pro zehn Milliarden Materie- und Antimaterieteilchen ein einziges Materieteilchen
übrig blieb. Die so entstandene Materie, gewissermaßen ein
schräger Überhang der Schöpfung, war die materielle Saat
für alles von den Atomen über uns Menschen bis zu den Galaxien.
Diese unsymmetrische Natur scheint sich heute noch in der Schrägheit
mancher Zeitgenossen zu zeigen. Es darf auch die Frage gestellt werden,
ob Gott ein wenig exzentrisch ist. Die Theologen mögen mit den
Physikern in dieser Sache Kontakt aufnehmen.
Physiker haben das Phänomen des Symmetriebruchs schon in der Mitte
des 20. Jahrhunderts beobachtet. Yoichiro Nambu war einer der ersten,
der die mathematischen Grundlagen zur Beschreibung des Symmetriebruchs
lieferte. Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa erkannten, dass sich
der Symmetriebruch der Natur dann erklären lässt, wenn man
die Existenz noch nicht beobachteter Quarks - das sind die fundamentalen
Bausteine der Atomkerne - annimmt. Diese vorausgesagten Elementarteilchen
konnten inzwischen in zwei Teilchenbeschleunigern nachgewie-sen werden.
Man darf daher gespannt sein, was der Superbeschleuniger LHC in Genf
in den nächsten Jahren an Erkenntnissen liefern wird.