Die bevorstehende Wirtschaftskrise lässt Verschwörungstheorien
aufblühen. Die USA tragen die Schuld, wissen die einen, die anderen
halten die Europäische Union für den Übeltäter,
wie uns ein kleinkariertes Zeitungsformat zu erklären versucht.
Ganz genau wissen es diejenigen, die auf die „Globalisierung“
schimpfen. Sie bedenken dabei nicht, dass die Globalisierung (der wirtschaftliche,
wissenschaftliche und kulturelle Austausch) schon vor über 2000
Jahren begonnen hat und bis heute andauert.
Was hat die Weltwirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des 2.
Weltkrieges geführt? Die unmittelbaren Ursachen sind vielfältig,
aber des Rätsels tiefe Lösung liegt in der Natur des Menschen.
Der etwas in Vergessenheit geratene österreichische Verhaltensforscher
und Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903-1989) hat schon vor Jahrzehnten
auf einen Baufehler in der Natur des Menschen hingewiesen. Lorenz hat
mehrmals, darunter auch in seinem legendären Werk „Die acht
Todsünden der zivilisierten Menschheit“, betont, dass der
Mensch eine evolutionäre Geschichte hat. Die Natur hat uns mit
Strategien ausgestattet, die uns das Überleben in Notzeiten ermöglichen,
aber sie hat uns nicht dazu befähigt, mit der Moderne umzugehen.
Das industrielle Zeitalter war nicht geplant, es ist uns gewissermaßen
passiert.
In einer Arbeit über Lorenz’ Theorien heißt es: „Es
ist nicht so einfach, einen anderen Menschen zu töten und ihm dabei
ins Gesicht zu blicken; der Pilot eines Kampfflugzeugs aber, der aus
großer Höhe eine Bombe über einem Dorf abwirft, die
einem kleinen Kind beide Hände abreißt, sieht nicht mehr
die Konsequenzen seines Handelns und ist emotional entlastet ... Unsere
Zivilisation ist also durchaus in der Lage, bestimmte in uns schlummernde
destruktive Potentiale zu verstärken.“
Das Instrument der Moderne ist der Computer. Der frustrierte Zeitgenosse
kann sich in irgendwelchen „Chats“ anonym austoben, er kann
im Internet „World of Warcraft“ spielen, bis er privat,
in der Schule oder im Beruf abstürzt. Die cleveren Typen aber sitzen
in den Büros der Investmentbanken, schnüren am Computer Scheinwerte
(gesammelte Kredite, Hypotheken usw.) zu Paketen und verkaufen sie mit
allerlei Versprechungen zu überhöhten Preisen weiter. So wie
der Schüler um ein Uhr nachts die Scheinrealität am Bildschirm
nicht mehr wahrnimmt, fragt ab dem dritten – meist ahnungslosen
- Käufer keiner mehr, ob das, was da am Bildschirm leichtgläubig
erstanden wurde, Milliarden oder Pseudilliarden sind. Weder der Computer
noch die USA noch die EU sind an der schmerzhaften Misere schuldig:
Wir alle einschließlich aller „Experten“ sind es mit
unserer lächerlichen Konsumgier.