Welt der Naturwissenschaften
|
GEPLANTES ENDE |
Es war an einem herrlichen Augusttag, als ich ihn im schönen Steyrtal wiedersah. Er sah noch so aus wie vor Jahrzehnten, der grasgrüne Steyr Traktor T80, Baujahr 1956. Da mein Vergehen verjährt ist, kann ich heute gestehen, dass ich den Traktor, der damals schon nicht mehr neu war, im Alter von 12 bis 16 Jahren regelmäßig illegal gefahren habe. Das Fahrzeug ist heute noch in Betrieb und funktioniert tadellos. Den Mähdrescher, den ich damals ebenfalls pilotierte, gibt es nicht mehr. 1920 waren mehr als die Hälfte aller Autos weltweit vom Typ "Ford T", die berühmte "Tin Lizzy". Alle Modelle sahen ähnlich aus und unterschieden sich nur in Farbe und in einigen mehr oder weniger unzweckmäßigen Accessoires. Vor allem aber waren sie nicht umzubringen. Das war schlecht für die Verkaufszahlen. Ein satter Markt verhindert Gewinne. Bei Chevrolet kamen Verkaufsmanager daher auf die glorreiche Idee, das Design ihrer Fahrzeuge regelmäßig zu ändern, was die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen ließ. 1929 kam die Weltwirtschaftskrise, großteils hervorgerufen durch den politisch wie wirtschaftlich unbedarft agierenden US-Präsidenten Calvin Coolidge. Nachdem die Notzeit halbwegs überwunden war, kam der russisch-amerikanische Immobilienhändler Bernard London in New York auf die Idee, die geplante Obsoleszenz eines Industrieprodukts zur gesetzlichen Pflicht zu machen. Alle Fabrikate sollten ein Verfallsdatum ("death dating") bekommen. Danach müssen sie bei einer Behörde zur Vernichtung abgegeben werden. Artikel länger zu behalten, sollte strafbar werden. Bernard London, der sich aus armen Verhältnissen hochgearbeitet hatte, wollte mit seiner Idee, die damals für unnötig gehalten wurde, zweierlei erreichen. Es sollte - erstens - die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden, was - zweitens - Arbeitsplätze und den sozialen Frieden sichern würde. Londons Vorschlag geriet rasch in Vergessenheit. In den Fünfzigerjahren wurde die Obsoleszenz-Idee in den USA neu aufgegriffen. Der schnelle Produktwechsel sollte jedoch nicht befohlen werden, die Konsumenten wurden durch Werbung zum Wegwerfen verführt. Heute steht die Konsumgüterindustrie auf drei Säulen. Das sind die Werbung, die Konsumentenkredite und die geplante Obsoleszenz. Das geplante Ende der Produkte ist heute ein Tabu, man spricht nicht darüber. "Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie für das Geschäft" wusste schon 1928 ein amerikanischer Unternehmer. Die Tiefkühltruhe in meinem Keller ist seit Jahrzehnten in Betrieb. Sie braucht nicht mehr Strom als ein heutiges Gerät mit Energiespar-Garantie. Die Firma, die dieses Modell baute, gibt es schon lange nicht mehr. |
Autophagie |
|
© 2018 Rudolf Öller, Bregenz |