Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat es auf den Punkt
gebracht: „Ausgerechnet in der Woche des Parteitages musste die
Familie die ungewollte Schwangerschaft ihrer Tochter bekannt geben.
Für die amerikanischen Konservativen bedeutet das eine Peinlichkeit
sondergleichen. Man wollte über die Bedrohung dieser Welt reden
und war plötzlich im Schlafzimmer der Palin-Tochter gelandet.“
Die amerikanischen Republikaner haben sich große Mühe gegeben,
für ihren nicht mehr jungen Präsidentschaftskandidaten McCain
mittels Fragebogen („Haben sie Pornografie aus dem Internet herunter
geladen?“) einen Vizepräsidenten zu suchen. Die Fahndung
führte schließlich zur Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin.
Die Politikerin erscheint auf den ersten Blick maßgeschneidert
für den bodenständigen amerikanischen Wähler. Sie ist
verheiratet, hat fünf Kinder, ist Mitglied der National Rifle Association
– das ist die Organisation, die jedem Amerikaner eine Schusswaffe
zugestehen will –, ist sehr religiös, und will Sexualkundeunterricht
in Schulen verbieten, denn das sei schließlich Aufgabe der Eltern.
Erfolgreich war sie dabei nicht, wie man an der ungewollten Schwangerschaft
ihrer siebzehnjährigen Tochter Bristol sehen kann. Zu allem Überdruss
muss sich Sarah Palin mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs herumschlagen.
Man weiß also, woran man bei der Politikerin ist, die als Vizepräsidentin
zwar nichts zu sagen hätte, im Falle eines Ablebens des Präsidenten
aber zur amerikanischen Präsidentin aufsteigen würde. Letzteres
erfüllt viele Amerikaner mit Unbehagen, denn Palin vertritt nicht
nur wundersame Werte, sondern ist auch überzeugte Kreationistin.
Der Kreationismus, der seinen Ursprung in amerikanischen protestantischen
Kreisen hat, ist jene unbedarfte Ideologie, die dem Universum ein Alter
von sechstausend Jahren zugesteht. Weltoffenere Kreationisten lassen
sogar ein Alter von zwanzigtausend Jahren durchgehen. Eine Variante,
die Lehre vom „Intelligent Design“, die von Naturwissenschaftern
auch als „Kreationismus im billigen Smoking“ bezeichnet
wird, hat sogar einige Ableger in Europa gebildet. Nun kann jeder glauben,
was er will, solange der Glaube niemandem aufgezwungen wird.
Sarah Palin wird aber vorgeworfen, sie habe in Alaska Bücher aus
Bibliotheken entfernen lassen, in denen die moderne Evolutionstheorie
als Standard des Wissens behandelt wird. Als amerikanische Vizepräsidentin
käme sie mit derartig abseitigen Ambitionen beim Bildungsbürgertum
niemals durch, aber das Entfernen unliebsamer Bücher aus Bibliotheken,
auch der bloße Versuch, sollte zumindest ein Weckruf für
verschlafene demokratische Bürger sein.