Die Explosion des Kernkraftwerks Tschernobyl vor 20 Jahren hat mehrere
Ursachen. Das riskante Konstruktionsprinzip war auf das Atomwaffenprogramm
der ehemaligen Sowjetunion abgestimmt, und die überforderte Mannschaft
stand unter Zeitdruck.
Der Unglücksreaktor wurde am 25. April 1986 für einen geplanten
Versuch heruntergefahren. Um 14 Uhr, bei einer Leistung von 50 Prozent,
gab es eine unerwartete Verzögerung, da auf Anforderung des Lastverteilers
weiterhin Strom in das Netz eingespeist werden musste. Etwa neun Stunden
später konnte das Abfahren auf den für den technischen Versuch
vorgesehenen Wert von ca. ein Viertel der Leistung fortgesetzt werden.
Bei 50 % der Leistung wurde unter Missachtung der Vorschriften das Notkühlsystem
unwirksam gemacht. Um 0:28 Uhr unterlief der Betriebsmannschaft ein Fehler
bei einer Umschaltung in der Reaktorregelung. Der Reaktorbetrieb fiel
auf einen Wert von nur 1 %. Da ein Betrieb unter 20 % nicht gestattet
war und wegen der Bildung von Xenon (ein Edelgas) im Reaktor auch keine
Möglichkeit bestand, diese vorgeschriebene Mindestleistung wieder
zu erreichen, hätte der Reaktor völlig abgeschaltet und der
Versuch verschoben werden müssen.
Der Reaktor wurde jedoch wieder hochgefahren, um den technischen Versuch
durchzuführen. Durch das instabile Verhalten und die schlechte Regelbarkeit
des Gigawatt-Reaktors traten weitere Schwierigkeiten auf. Unter mehreren
Verstößen gegen die Betriebsvorschriften gelang es, den Reaktorbetrieb
auf etwa 7 % anzuheben.
Der Atomreaktor befand sich vor Beginn des Versuchs in einem äußerst
instabilen Zustand, zudem stand das automatische Abschaltsystem nicht
mehr zur Verfügung. Die Instabilität des Reaktors (schwankende
Temperatur- und Druckwerte) verschlimmerte sich stetig, und dies war der
Betriebsmannschaft sogar bekannt. Trotzdem erfolgte keine Abschaltung
gemäß Betriebsvorschriften. Stattdessen wurde ein weiteres
Signal, welches bei Einleitung des Versuchs zu einer automatischen Notabschaltung
des Reaktors geführt hätte, überbrückt, um den Versuch
eventuell wiederholen zu können. Um 1:23 Uhr wurde der Versuch eingeleitet,
die Hauptkühlpumpen wurden stillgelegt. Die dadurch bewirkte Verringerung
des Kühlmitteldurchflusses im Reaktor führte zunächst zu
einem Leistungsanstieg auf etwa 10% - 11% der normalen Reaktorleistung
und dann zu einer unerwartet schlagartigen Erhöhung des Energieumsatzes,
was zur Zerstörung des Reaktors führte. Von Hand war zwar noch
eine Notabschaltung eingeleitet worden, doch es war bereits zu spät.
Der Fall kann sich wiederholen, denn Technik kann menschliche Fehler
kontrollieren, aber niemals vollständig.