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25. April 2024


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FORTSCHRITT


Die folgenden Sätze darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: Seit etwa fünfzehn Jahren lautet die vorherrschende Devise insbesondere unter jungen Leuten "links". Entsprechende Schlagworte sind "progressiv", "demokratisch" und "revolutionär", wohingegen man unter allen Umständen vermeiden sollte, sich als "bourgeois", "reaktionär" und "faschistisch" abstempeln zu lassen. Heute möchte jeder, selbst die Mehrheit der Katholiken und der Konservativen, "progressiv" sein.

Diese Sätze könnten aus jedem beliebigen Medium unserer Tage stammen. In Wahrheit sind sie dem Werk "Der Schriftsteller und der Leviathan" entnommen und exakt 75 Jahre alt. Geschrieben hat sie seinerzeit Eric Arthur Blair, der unter dem Pseudonym George Orwell weltberühmt wurde. Die Zeilen wurden im Frühjahr 1948 geschrieben, im gleichen Jahr, in dem George Orwell seinen dystopischen Roman "1984" fertigstellte.

Orwells Sätze zeigen, dass sich in der konservativen Gedankenwelt der Linken seit drei Generationen absolut nichts geändert hat. Auch heute noch glauben alle, die sich für links halten, sie seien "progressiv", und die politischen Gegner seien "reaktionär" und "faschistisch". Nicht einmal das zum Gähnen reizende Allerwelts-Schimpfwort "Nazi" ist neu.

Die Gesellschaftskritiker, Kulturwissenschaftler, Revoluzzer, Bobos und andere, die sich für Fortschritts-Monopolisten halten, sind in Wahrheit Lachnummern. Es geht hier nicht darum, Kulturwissenschaften oder politische Meinungen generell zu belächeln oder auszupfeifen. Es muss aber erlaubt sein, die überheblichen "Fortschrittlichen" als das zu bezeichnen, was sie sind: Blender und Angeber.

Eizellen

Wer hat in den letzten Jahrhunderten den echten Fortschritt gebracht? Es waren ausschließlich Naturwissenschaftler und Techniker. Ohne den Fortschritt dieser wahren Progressiven könnte keiner der heutigen Politiker irgendwelche Versprechungen machen. Die Entdeckungen der MINT-Leute (Mathematik, Naturwissenschaft, Informatik, Technik) bewirkten sogar Gesellschaftsveränderungen. So begann die Emanzipation der Frauen nicht irgendwann im 20. Jahrhundert, sondern bereits 1827, als der Mediziner und Zoologe Karl Ernst Ritter von Baer die weibliche Eizelle entdeckte. Davor galten Frauen nur als wandelnde Brutkästen. Danach wusste man, dass Frauen so wie die Männer, Zellen zur Fortpflanzung bilden.

Wer hat die Blutgruppen entdeckt und damit – über die Bluttransfusionen – Millionen Menschen das Leben gerettet? Es war ein österreichischer Arzt. Wer hat das Penizillin entdeckt und damit die Lebenserwartung der Menschen deutlich erhöht? Es war ein britischer Mediziner. Wer hat die Gentechnik gestartet, was beispielsweise dazu geführt hat, dass Insulin nicht mehr aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gewonnen wird, sondern antikörperfrei und somit schonend gentechnisch erzeugt werden kann? Es war ein Schweizer Molekularbiologe. Wer hat die Röntgenstrahlen entdeckt und damit der modernen Chirurgie, insbesondere der Unfallchirurgie, einen gewaltigen Schub gegeben? Es war ein deutscher Physiker. Wer hat die Voraussetzungen für die Wärmepumpe entwickelt, die ein grüner deutscher Minister allen Bürgern als Heizung der Zukunft unterjubeln will? Es waren ein Engländer und ein Ire. Wer hat die drei verschiedenen Typen an Wasserturbinen erfunden, die heute in Kraftwerken die Bewegungsenergie des Wassers in Rotationsenergie umwandeln? Zwei Amerikaner und ein Österreicher.

Es gibt eine Unzahl an Büchern und Bildbänden über die interessantesten und bedeutendsten Erfindungen und Entdeckungen der Geschichte. Die Leser erkennen sofort, dass so gut wie alle dieser Entwicklungen von den so genannten bösen weißen Cis-Männern stammen, wobei auch einige Frauen erwähnenswert sind. Nicht eine einzige relevante Erfindung oder Entdeckung stammt von einfältigen Bobos, die sich in maßloser Selbstüberschätzung für "fortschrittlich" halten.

Facharbeiter

Es gab einmal eine Zeit, da kam politischer Fortschritt noch von Sozialdemokraten. Einer ihrer historischen Verdienste besteht darin, an der Bildung der ersten und zweiten Republik konstruktiv beteiligt gewesen zu sein. Ein alter Sozialdemokrat in meiner Verwandtschaft war Facharbeiter in einer oberösterreichischen Maschinen- und Motorenfabrik. Er konnte mit einem Rechenschieber umgehen, ein Gerät, das junge Generationen nur noch vom Hörensagen kennen. Der Facharbeiter hätte ohne weiteres das Zeug zum Diplomingenieur gehabt, aber die Eltern konnten sich das Studium nicht leisten. Das hat sich geändert. Heute kann jeder alles werden, aber das ist nicht das alleinige Verdienst der Sozialdemokraten. Voraussetzungen für eine Karriere sind heute – in dieser Reihenfolge – Selbsteinschätzung, Begabung, Wille und Fleiß. Das Geld spielt wegen der Möglichkeiten, Stipendien zu lukrieren, zwar noch eine Rolle, aber nicht mehr so wie vor Generationen.

Aufrichtige Demokraten

Lesen wir nochmals bei George Orwell aus dem Jahr 1948 nach: Soweit ich weiß, würde keiner auf die Idee kommen, sich selbst als "bourgeois" zu bezeichnen, ebenso wie niemand  … bekennen würde, dass er ein Antisemit ist. Wenn es danach geht, sind wir alle aufrichtige Demokraten, Anti-Faschisten und Anti-Imperialisten, die Klassenunterschiede ächten, keine Vorurteile gegen Menschen mit anderer Hautfarbe haben und so weiter und so fort.

Hätten diejenigen unter uns, die am wahren Fortschritt arbeiten, mehr Zeit für öffentliche Kommentare, dann sähen die selbsternannten "Fortschrittlichen" mit ihren bunten Fahnen, gereckten Fäusten und sich ständig wiederholenden demagogische Worthülsen noch komischer aus. Linke generieren keinen Fortschritt, denn das können sie nicht. Sie verteilen nur fremden Gewinn und fremde Entwicklung. Linke sind – Orwell zeigt es – bis heute in der Ideologie der Nachkriegszeit hängen geblieben.



© 2023 Rudolf Öller, Bregenz  [/2023/roe_2316]


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