Ein neues Kilogramm? Wozu soll das gut sein? Wir sind doch mit dem alten Kilogramm gut gefahren. Mancher Zeitgenosse mag sich gewundert haben, als er über diese Meldung stolperte, die in den Medien, wenn überhaupt, nur am Rande mitgeteilt wurde.
Es geht beim neuen Kilogramm nicht um ein neues Maß, sondern um Genauigkeit. Die ersten internationalen und geeichten Maßsysteme hatten England und Österreich unter Maria Theresia entwickelt. In England ging es um Zoll, Fuß, Yards und Unzen, in Österreich wurde mit Fuß, Klafter, Rute und Quentchen gemessen, wobei der englische Fuß und der österreichische nicht gleich waren. Als in Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution begann, wurde die Idee eines neuen Systems geboren. Alle wussten, dass England das kontinentale System niemals übernehmen würde, umgekehrt natürlich auch nicht. Es mussten also neue Maße her. Das war die Geburtsstunde von Meter und Kilogramm. Alle Länder, die sich dem neuen System anschlossen, darunter auch Österreich-Ungarn, bekamen Referenzmaße (Kopien des Urmeters und des Urkilogramms) zum Zwecke der Eichung von Messgeräten. Das reichte damals aus, heute aber nicht mehr. Das größte Problem besteht darin, dass die Urkilogrammzylinder allmählich ein Atom nach dem anderen verlieren, ihre Masse wird so langsam, aber stetig geringer.
Alle Maßeinheiten, mit Ausnahme des Kilogramms, wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte neu definiert. Beim Kilogramm stießen die Physiker lange Zeit auf Hindernisse, die nun überwunden wurden. Wissenschaftler hatten erfolgreich den Plan verfolgt, das Kilogramm über eine präzise Naturkonstante zu definieren, über das so genannte Plancksche Wirkungsquantum. Diese winzige Zahl (ein Sechser an der 34. Stelle hinter dem Komma) hatte Max Planck definiert, um das absolut gleichbleibende Verhältnis von Energie und Frequenz eines Lichtteilchens (Photon) zu beschreiben. Am 20. Mai 2019, dem Weltmeteorologietag, soll das neue Einheitensystem international in Kraft treten. Niemand muss deswegen eine neue Waage kaufen, denn die Änderungen betreffen nur Stellen weit hinter dem Komma.
Auf der Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Versailles stimmten im vergangenen November Vertreter von 60 Staaten - darunter auch Österreich - für das neue Einheitensystem mit neuen Definitionen. Neben dem Kilogramm wurden noch drei weitere Einheiten neu festgelegt: Das Ampere (A) für die Stromstärke, das Mol (mol) für die chemische Stoffmenge und Kelvin (K) als Temperatureinheit. Dieser Artikel wurde übrigens bei einer Außentemperatur von 270 Kelvin, einer Zimmertemperatur von 294,6 Kelvin und mit einer Kampfmasse von ca. 9*1016 Picogramm geschrieben.