Michael und Robert Bernstein von der University of Michigan nahmen alle Nobelpreisträger bis 2005 unter die Lupe, immerhin über 500 Frauen und Männer, und verglichen sie mit über siebentausend zufällig ausgewählten Wissenschaftlern aus dem angelsächsischen Bereich, die keinen Nobelpreis erhalten hatten. Sie wollten wissen, ob beide Gruppen Unterschiede im Freizeitverhalten zeigen.
Es stellte sich heraus, dass Nobelpreisträger 4-mal so häufig musizierten wie „normale“ Wissenschaftler. Sie betätigten sich 15-mal häufiger handwerklich, waren 17-mal häufiger bildnerisch tätig, traten signifikant häufiger als Vortragende von Literatur auf und waren 25-mal häufiger als Schriftsteller tätig. Wenn man nun bedenkt, dass „normalsterbliche“ Wissenschaftler schon relativ häufig Interesse an Musik, Literatur und anderen Künsten zeigen, wird klar, dass der zerstreute, hornbrillentragende und weltfremde Wissenschaftler im Elfenbeinturm ein Zerrbild ist, das nicht der Realität entspricht. Weltfremd sind nur diejenigen, die dieses Bild vor Augen haben und kolportieren.
Es ist fast unmöglich, Biografien berühmter Wissenschaftler zu lesen, ohne auf handwerkliche, musische, zeichnerische oder schriftstellerische Tätigkeiten zu stoßen. Nobelpreisträger, die keine dieser Aktivitäten zeigten, gingen zumindest gerne ins Theater und ins Kino. Albert Einstein spielte Geige, Max Planck machte Hausmusik und Richard Feynman spielte in einer Favela-Band in Rio de Janeiro. Der Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg, um ein weiteres Beispiel zu nennen, begab sich wegen einer Pollenallergie auf ärztlichen Rat nach Helgoland. Dort teilte er den Tag in drei Bereiche. Am Morgen wanderte er auf der Insel herum, daraufhin lernte er Gedichte aus Goethes „west-östlicher Diwan“ auswendig und am Abend widmete er sich quantenmechanischen Formeln. Zudem war er ein hervorragender Orgelspieler.
Apropos Goethe. Deutschlands Dichterfürst, der sich auch den Naturwissenschaften gewidmet hatte, hat Kunst und Wissenschaft nie getrennt. Für ihn gehörten Malerei, Literatur, Musik und Wissen zusammen. Für Ignoranten ohne Sinn für wissenschaftliches Streben hatte Goethe nur Spott übrig. In seinem Drama „Faust“ lässt er Mephisto in Fausts langem Mantel auftreten und folgendes sagen: „Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, lass nur in Blend- und Zauberwerken dich von dem Lügengeist bestärken, so hab ich dich schon unbedingt.“ Goethe ist hier unerbittlich. Den Wissenschaftsverächtern schreibt er in der gleichen Szene ins Stammbuch: „Und hätt‘ er sich auch nicht dem Teufel übergeben, er müsste doch zugrunde gehen!“