Abdul Kadir Khan wurde am 1. April 1936 in einer muslimischen Familie in Bhopal geboren. Die Moslems bilden in Indien eine Minderheit, daher ging er 1952 als Maschinenbaustudent nach Pakistan. Nach seinem Abschlussdiplom an der Universität von Karachi ging er nach Berlin und später nach Delft in Holland, wo er sich auf Metallurgie spezialisierte. Der Moslem Kadir Khan promovierte 1972 an der katholischen Universität Leuwen und hatte sich einen Namen als Maschinenbauer und Fachmann für Legierungen gemacht.
Von 1972 bis 1976 arbeitete Khan für das „Physical Dynamics Research Laboratory“ und hatte dank schlampiger Sicherheitsmaßnahmen Zugang zu Zentrifugenplänen. Das Labor war ein Auftragnehmer der niederländischen Niederlassung der Urenco-Gruppe, in der Uranzentrifugen entworfen wurden. Diese Uranzentrifugen sind zur Herstellung bomben- und reaktorfähigen Urans notwendig, denn spaltbares Uran-235 kommt in der Natur sehr selten vor. Uran-235 muss mühsam und in mehreren Schritten mit Hilfe der Zentrifugen gefiltert werden.
Nachdem Pakistans Todfeind Indien im Mai 1974 die erste Atombombe getestet hatte, war Pakistan alarmiert. Khan bot Hilfe an, die sofort angenommen wurde. Der damalige pakistanische Ministerpräsident Zulfikar Ali Bhutto beauftragte Kadir Khan, die Atombombe für Pakistan zu bauen. Das Motto war gespenstisch. Neben der „christlichen Bombe“ (USA und Großbritannien), der vermuteten „jüdischen Bombe“ (Israel), der „atheistischen Bombe“ (Sowjetunion) und der „hinduistischen Bombe“ (Indien) sollte es nun endlich auch eine „moslemische Bombe“ geben. Die Weltvernichtungsmaschine mutierte aus dem Blickwinkel bigotter Fanatiker zum religiösen Thema - gewissermaßen ein Armageddon-Wettbewerb. Pakistan bestritt jahrelang, an der Bombe zu bauen. Heute ist klar, dass Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Irak und Libyen Pakistans Bombenprogramm finanzierten. Alle dieser Länder sehnten sich nach der „moslemischen Bombe“. Am 28. Mai 1998 detonierte die erste pakistanische Atombombe. Es wird vermutet, dass Pakistan heute mindestens dreißig Atomsprengköpfe besitzt. Das ist nicht viel, verglichen mit den vermuteten 200 bis 300 israelischen Atombomben und den tausenden Sprengköpfen der Amerikaner und der Russen. Wenn aber Terroristen auch nur einen Nuklearsprengkopf samt den dazugehörigen Codes in den Besitz bekämen, wäre das die ernsthafteste Bedrohung der Menschheit seit der Kubakrise.
Die Spionageaffäre um Abdul Kadir Khan hat gezeigt, dass es erstaunlich leicht war, an streng geheime Unterlagen zu kommen. In Zeiten vernetzter Computersysteme ist es (meist) nur noch Profiprogrammierern möglich.