Es war Ärzten, die über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügen, immer schon aufgefallen, dass bestimmte Erkrankungen eine Immunität gegen eine wiederholte Erkrankung bewirken. Grippe kann man öfter bekommen, Masern und Pocken nur einmal. Trotzdem waren die Ärzte gegen immer wieder kehrende Seuchen machtlos, weil man deren Ursachen nicht kannte. Pest, Pocken, Diphtherie und andere Krankheiten aber auch Hunger und Kälte bewirkten über die Jahrhunderte eine durchschnittliche menschliche Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren. Heute ist die Lebenserwartung doppelt so hoch. Urgroßeltern sind heute keine Seltenheit.
Die Pocken sind eine von Viren erzeugte Krankheit und waren immer gefürchtet. In China gab es Versuche, sich selbst von leichten Fällen anstecken zu lassen. Man führte sogar Impfungen mit Flüssigkeit aus Eiterpusteln durch. Das war ein Risiko, denn manchmal führte das zu einer lebensgefährlichen Erkrankung. Der englische Arzt Edward Jenner (1749-1823) ging die Klärung des Problems mit wissenschaftlichen Methoden an. 1786 fand er ein Mädchen, das die Kuhpocken hatte, eine leichte Erkrankung, die auch heute noch gelegentlich vorkommt. Er nahm die Flüssigkeit aus einer Hautpustel und injizierte sie einem Jungen, der daraufhin ebenfalls die Kuhpocken bekam. Zwei Monate später infizierte er den Jungen mit echten Pocken. Die Krankheit befiel den Jungen nicht. Jenner wiederholte das riskante Experiment und veröffentlichte seine Erkenntnisse. Die Methode verbreitete sich wie ein Lauffeuer über Europa. Kuh heißt im Lateinischen „vacca“. Jenner nannte seine Methode (englisch) „vaccination“. Pocken (Variola) war die erste Krankheit, die durch Impfen besiegt werden konnte.
In der Pharmazie entstand ein neuer Forschungszweig. Die Methode der Impfung trug wesentlich dazu bei, die Menschen gesünder und langlebiger zu machen. Wenn ein bestimmter Prozentsatz von Menschen gegen eine Krankheit immunisiert wird, fehlen den Krankheitserregern die Nährböden. Davon profitieren auch die Ungeimpften. Gegen tödliche Krankheiten wie Aids und andere sucht man nach wie vor intensiv nach Impfstoffen. Nebenwirkungen, die gelegentlich auftreten können, stehen zahlenmäßig in keinem Verhältnis zu den Menschenleben, die durch Impfungen gerettet werden konnten.
Impfen sei unnatürlich, behaupten ängstliche Impfgegner. Dem ist zu erwidern, dass jeder chirurgische Eingriff sowie Injektionen und Infusionen ebenfalls unnatürlich sind. Noch vor einem Jahrhundert starb beinahe jedes zweite Kind an einer Infektion, was damals „natürlich“ war. Heute bleiben Millionen Kinder durch die Kunst der Medizin, insbesondere aber durch Impfen, „unnatürlich“ am Leben.