Inspektor Zufall spielt in fast allen Kriminalromanen oder -filmen eine Rolle. Da sucht ein hartnäckiger Inspektor den Mörder wie eine Nadel im Heuhaufen, verirrt sich dabei in unzählige Sackgassen, weil er das Glitzern einer Glasscherbe für die gesuchte Nadel hält. Schließlich – kurz vor dem vermeintlichen Scheitern – findet er die Nadel zufällig an einer Stelle, an der er sie zunächst nicht vermutet hatte.
In den Wissenschaften läuft es ähnlich. Professor Zufall ist sehr oft mit im Spiel. Diese Feststellung soll nicht den Eindruck erwecken, moderne Wissenschaft sei ein Spiel für verschrobene weißbekittelte Sonderlinge und die Entdeckungen seien puren Zufällen zu verdanken. So wie der Inspektor den Mörder niemals gefunden hätte, wenn er über kein kriminalistisches Gespür verfügte und nicht eine gefühlte halbe Ewigkeit gesucht hätte, so findet auch ein Wissenschaftler nichts, wenn er erstens keinen „Riecher“ hat und zweitens über kein Hintergrundwissen verfügt. Der große Albert Einstein hat einmal gesagt „Imagination is more important than knowledge.“ (Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen). Der Satz wurde oft dahingehend missverstanden, dass Wissen nicht so wichtig sei, allein die Fantasie sei maßgeblich. Das ist natürlich Unsinn, und das hat Einstein auch nie so gemeint. Beides ist wichtig, sowohl für Frau oder Herrn Inspektor als auch für Frau oder Herrn Forscher: Wissen und Routine einerseits und Hartnäckigkeit und Phantasie andererseits. Dies sind die Voraussetzungen dafür, dass Inspektor und Professor Zufall zum Zug kommen können.
Die traditionelle Sommerserie dieser Kolumne ist in diesem Jahr Professor Zufall gewidmet. Es ist die Geschichte großer Frauen und Männer, die im Rahmen der Grundlagenforschung fleißig und kompetent ihre Versuchsserien machten. So wie der fleißige Inspektor nicht aufgibt, wenn er statt der erhofften Nadel nur einen Glassplitter findet, so haben unsere Helden das eine oder andere Glitzern entweder übersehen oder fehlgedeutet. Am Ende half dann aber Professor Zufall, wobei nicht selten etwas gefunden wurde, wonach gar nicht gesucht wurde. Es gibt sogar Fälle, wie etwa bei Gregor Mendel, dass bahnbrechende Entdeckungen jahrzehntelang nicht beachtet wurden.
Unter anderen Beispielen kommen zur Sprache Isaac Newton und der fallende Apfel, Gregor Mendel und die Gene, Henri Becquerel und die Radioaktivität, Marie Curie und das Radium, Max Planck und das Lichtquant, Ernest Rutherford und der Atomkern, Thomas Hunt Morgan und die Chromosomen, Alexander Fleming und das Penizillin, Werner Arber und die Gentechnik sowie Alec Jeffreys und „Inspektor DNA“. Die Liste ist zweifellos nicht vollständig.