Lange Zeitspannen entziehen sich genauso der Vorstellungskraft wie riesige Räume. Vor allem macht manchen Menschen der Gedanke Angst, dass die Erde die allermeiste Zeit menschenleer war. Wann der Mensch auftauchte, werden wir nie genau wissen, weil wir definieren müssten, was ein Mensch ist und was nicht. Die Rede ist dabei nicht vom heutigen Menschen, dessen Gehirn mindestens 250.000 Jahre alt ist. Wir wissen, dass unser Vorfahre „Lucy“, die zur Gattung „Australopithecus“ gezählt wird, eine falsche Bezeichnung trägt. Australopithecus (griechisch) bedeutet so viel wie Südaffe, aber Lucy war weder ein Affe noch ein Mensch, sondern eine Übergangsform. Zu unseren Vorfahren zählen auch Wesen wie Homo habilis, Homo erectus, Homo ergaster und andere. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gab es weitere menschenähnliche Arten und Unterarten, die noch nicht entdeckt sind.
Wir nennen uns selber Homo sapiens sapiens, weil der Neandertaler, der früher Homo neandertalensis hieß, nun als Unterart Homo sapiens neandertalensis geführt wird. Ob der Neandertaler eine eigene Art oder Unterart war, lässt sich nicht beantworten. Wahrscheinlich bildeten unsere Vorfahren gemeinsam mit dem Neandertaler eine „Species in statu nascendi“, wie es Biologen auszudrücken pflegen, also eine Artengruppe, die gerade dabei war, zwei Arten hervorzubringen, wobei „Bruder Neandertaler“ auf der Strecke geblieben ist.
Die Epochen vor uns sind nur vorstellbar, wenn man die Zeit vom Urknall bis heute auf ein virtuelles Jahr schrumpft. Am 1. Jänner, wenn die Sektkorken knallen, beginnt unser Zeitrafferuniversum mit der Ausdehnung. Mitte Februar entstehen die ersten Galaxien, Mitte März die Sterne der ersten Generation. In ihren Kernen bilden sich schwere Atome, die Saat des späteren Lebens. Die besonders großen Sterne explodieren als Supernova, wobei schwere Elemente entstehen und weit ins Universum geschleudert werden. Im Sommer entstehen die Sterne der zweiten Generation. Mitte Oktober entsteht ein kleiner heißer Klumpen, unser Heimatplanet, der bis Ende Oktober eine feste Kruste bildet. Irgendwann im November entstehen die ersten Bakterien – früher „Blaualgen“ genannt, die Sauerstoff produzieren. Das hat wiederum eine schützende Ozonschicht zur Folge. Nun kann sich höheres Leben entwickeln.
Am 21. Dezember schwimmen die ersten Haie umher, am Heiligen Abend am Nachmittag bevölkern die Reptilien das Land. Am 30. Dezember zu Mittag sterben die Saurier und Ammoniten aus. Säugetiere, Insekten und Blütenpflanzen entwickeln sich rasch. Nur fünfzehn Minuten vor dem Jahreswechsel erscheint der Homo sapiens, vier Sekunden vor Mitternacht wird Jesus von Nazareth geboren.