Theologen und Philosophen haben sich immer schon mit der Materie und dem Leben beschäftigt, einige auch mit der Zeit. Der heilige Augustinus hat einmal gesagt: „Was ist Zeit? Wenn mich niemand fragt, weiß ich es. Wenn ich es jemandem erklären soll, weiß ich es nicht.“ Thomas von Aquin, er gilt als der erste Theologe, hat sich schon im 13. Jahrhundert über die Zeit und das Universum Gedanken gemacht. Er glaubte, dass Gott nicht nur das Universum, sondern auch die Zeit erschaffen hat. Weiters folgerte er: „Es ist gewiss, dass nichts Gott gleichkommen kann. Wenn aber die Welt immer gewesen wäre, so käme sie Gott gleich in der Dauer. Also ist es gewiss, dass die Welt nicht immer gewesen ist.“ Thomas Aquin ahnte damals nicht, dass es den Naturwissenschaften eines Tages gelingen würde, eine Theorie über den Anfang unseres Universums zu entwerfen. Mehr noch: Immer mehr Astrophysiker sind davon überzeugt, dass unser Universum nur eines unter unendlich vielen ist. Ein unendlicher Raum voll entstehender, wachsender, schrumpfender, vergehender Universen, ein grenzenloser blubbernder kosmischer Schaum.
Es hat keinen Sinn, die Sache bildhaft zu ergründen, wir können uns ja nicht einmal die Größe unserer eigenen Milchstraße vorstellen, die selbst nur ein Staubkorn in unserem Universum ist. Wenn man ein Modell unserer Milchstraße von einem Meter Durchmesser in den Sand zeichnet, dann sind hundert Lichtjahre im Modell nicht mehr als ein Millimeter.
In zahlreichen Filmen über Astronomie und Kosmologie sind Größenordnungen oft ein Thema. Seltener wird über die Zeit berichtet, weil man sie nicht angreifen kann, sie lässt sich auch nicht anhalten. Schon Goethe lässt seinen Faust sagen: „Werd' ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!" Weder Faust noch sonst ein Wissenschaftler konnten den Augenblick jemals anhalten.
Heute wissen wir, dass Naturvorgänge die Zeit in eine Richtung dirigieren. Radioaktive Elemente zerfallen nach Halbwertszeiten. Noch nie haben sich aus Zerfallstrümmern die ursprünglichen Atomkerne spontan zusammengesetzt. Mischt man Flüssigkeiten mit verschiedenen Temperaturen, kommt es zu einer Temperaturangleichung. Noch nie wurde beobachtet, dass sich Temperaturen spontan in heiß und kalt trennen. Alle Lebewesen altern. Noch nie hat sich ein altes Individuum spontan in ein junges verwandelt. Wenn wir also die Zeit halbwegs in den Griff bekommen wollen, müssen wir uns an die Naturwissenschaften halten, die zwar nicht alle Fragen beantworten, aber doch große Einsichten liefern können.
Im Sommerthema 2012 des VN-Scheinwerfers wird die Zeit das zentrale Thema sein.