Die linken politischen Bewegungen sind eine Folge der Industrialisierung. Die Vertreter der Arbeiter – das Proletariat – forderten einen Anteil an den Produktionsmitteln. Radikale Kräfte beriefen sich auf den Marxschen Katechismus, forderten eine Enteignung der „Kapitalisten“ und setzten das manchmal auch durch. In ausnahmslos allen Ländern, in denen versucht wurde, den Marxismus in all seinen Spielarten umzusetzen, ging die Wirtschaft den Bach ab. Sowjetunion, Kuba, Albanien, Kambodscha, DDR, Venezuela – diese und noch andere Länder sind gescheitert nach dem Motto: Kapitalismus verteilt den Wohlstand ungleich, der Sozialismus verteilt den Mangel gleichmäßig. Lediglich eine kleine Gruppe von roten Bonzen lebte in Saus und Braus.
Es ist erstaunlich, dass die Idee des Sozialismus nach so vielen Beweisen des Versagens heute immer noch auf Begeisterung stößt. Die Protagonisten linker Bewegungen waren früher die Proletarier. Sie marschierten mit roten Fahnen, organisierten sich in Gewerkschaften und forderten mehr Anteile am Kuchen. Die alten Proletarier sind verschwunden, sie nennen sich nicht mehr „Arbeiter“, sondern „Assistant of Director“, „Technical Manager“, „Second Foreman“, „Head of Departement“ und andere. Die meisten wählen nicht mehr rote, sondern andere Parteien.
Die roten Parteien werden hauptsächlich von Pensionisten, Studenten, Bobos sowie Schul- und Studienabbrechern unterstützt. Eine enorme Rolle spielen auch die GONGOS (Government Organized Non Government Organizations). Es erhebt sich die Frage, was „links“ ist. Auf der Suche nach dem roten Faden einer einst dominierenden Ideologie stößt man auf eine Sammlung zusammenhangloser und sich widersprechender Theorien. Die folgende Liste ist unvollständig.
- Schülerinnen und Schüler, Politikerinnen und Politiker usw. gehören zur üblichen Neusprache in den Medien. Im Alltag reden wir nicht so aufgepumpt. „Österreicher“ meinte früher alle Bürger im Land. Die neusprachliche Doppelgleisigkeit nennt jetzt korrekt nur die beiden Geschlechter, die wir aus der Biologie kennen. Die restlichen drei Dutzend Geschlechter aus der queeren Welt bleiben ungenannt.
- „Divers“ (verschieden) ist zum zentralen Zauberwort der linken Welt geworden. Gleichzeitig wird aber von linken Politikern und Journalisten die wachsende Ungleichheit beklagt. Was jetzt? Verschieden oder nicht verschieden? Offenbar meint man damit, dass Mindestrentner jeden Euro umdrehen müssen, während unproduktive Großfamilien mehr als genug Geld bekommen.
- „Toleranz“ ist das Zauberwort der linken Reichshälfte. Für Nicht-Lateiner: Dieses Wort kommt von „tolerare“, was so viel wie ertragen oder erdulden heißt. Ich kann eine Meinung ertragen, muss ihr aber nicht zustimmen. Wenn jemand sagt, Marx und Lenin hätten segensreiche Theorien entwickelt, so halte ich das für falsch, aber ich erdulde es als Demokrat der alten Schule. Die Linksextremen sehen das anders. Wer eine „falsche“ Meinung vertritt, gehört zerstört, zumindest aber entfernt. Das führte zur berüchtigten „cancel culture“. Ein nicht korrektes Wort kann die Karriere kosten. Auf Internetseiten wie cancelcultur.de kann man sich davon überzeugen. Linksextrem ist also das Gegenteil von tolerant.
- Linksextreme halten sich für „woke“ (achtsam). In den letzten Jahren häufen sich aber die Angriffe „ad hominem“. Personen werden beschimpft und verleumdet, weil sie eine „falsche“ Meinung vertreten. Der Grund dafür liegt in einem Bildungsmangel linker Aktivisten. Diese Eigenschaft und eine fehlende Gesprächskultur führen zu öffentlichen Diskursen, bei denen es zu Beschimpfungen und Beleidigungen der Gegner kommt. Intrigen und strukturelle Gewalt sind inzwischen gängige Methoden, Gedankenverbrecher (© George Orwell) fertig zu machen. Dieser Hass passt zur Ideologie der Wokeness wie die Faust aufs Auge.
- Im links-grünen Bereich ist das beharrliche Ausblenden von Fakten üblich. Es wird behauptet, dass die Klimaerwärmung ausschließlich menschengemacht sei. Als flankierende Kampfmaßnahme wurde das Wort „Klimaleugner“ erfunden, was Unsinn ist, denn niemand leugnet das Klima. Die Temperaturen sind tatsächlich gestiegen, aber diese Erkenntnis gewinnt man auch ohne Wissenschaft. Ein Blick auf die Gletscher reicht. Die Frage aber, warum es im Mittelalter und zur Zeit der Römer erwiesenermaßen wärmer war als heute, wird beharrlich ausgeblendet. Es handelt sich um eine verbotene Frage.
- Es wird beklagt, dass die Kirchen immer weiter ideologisch abdriften, weil sie sozial (Hilfe für die notleidenden Nächsten) mit sozialistisch (Umverteilung mit Hilfe von Steuern) verwechseln. Ich besuchte kürzlich ein öffentliches kirchliches Benefizkonzert. In einer Pause kam ich mit einem Musiker ins Gespräch. Er wusste, dass ich vor Jahren politisch aktiv war. Ich erklärte ihm selbstironisch, dass das für mich als Langweiler nicht mehr in Frage käme, denn ich bin seit Jahrzehnten mit der gleichen Frau verheiratet, bin nicht schwul und nehme keine Drogen. Er meinte unter dem Gelächter von Zuhörern, dass ich damit auch nicht mehr in die Kirche passe.
- Die Linke in Deutschland hat einen neuen Star. Es ist die tätowierte TikTok-Politikerin Heidi Reichinnek, die so schnell spricht, dass das Satzende beinahe gleichzeitig mit dem Satzanfang daherkommt. Ihre Partei war bei den letzten Bundestagswahlen bei den Jungwählern angesagt, die durch asoziale Medien sozialisiert wurden. Im Deutschen Bundestag rief sie im vergangenen Jänner: „Auf die Barrikaden!“ Man stelle sich vor, ein bürgerlicher Politiker hätte das im Parlament gesagt. Ein prominenter deutscher Journalist schrieb im Magazin Cicero: „Heidi Reichinnek ist so deutsch, dass sie gegen sich selbst auf die Barrikaden gehen müsste … sie soll jetzt die beliebteste Politikerin des Landes sein. Das verwundert nicht. Taugt sie doch bestens als Identifikationsfigur für ein linkes Milieu, dem laute Selbstvermarktung wichtiger ist als politische Kompetenz.“
Es ist unmöglich, in dieser (unvollständigen) Liste einen roten Faden, eine gewisse Konsistenz oder irgendeine Intelligenz zu finden. Es ist ein Eintopf wirrer Tatsachen, Theorien und Thesen, die nirgendwo ein brauchbares Konzept für die Zukunft erkennen lassen. Das Durcheinander hat nur eine Stoßrichtung, und die geht „gegen rechts“, wobei positive Einstellungen zu Familie und Toleranz bereits als rechts gelten. Da diese linke Welt ein weltanschauliches Chaos ist, kann als gesichert linksextrem gelten, wer alles verdammt und bekämpft, was mangels an Bildung unverständlich erscheint.
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