Welt der Naturwissenschaften und Politik
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2025

Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit; das ist der Grund, warum die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.
(George Bernard Shaw)


24. April 2025


Übersicht

LÜGE UND WAHRHEIT


Die nächste deutsche Koalition aus CDU/CSU und SPD will vermeintlich falsche Behauptungen strafbar machen. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“ Das ist eine gefährliche Attacke auf die Grund- und Menschenrechte. Welche Probleme sich ergeben können, sei an Beispielen aufgezeigt.

Blautöne

Eine befreundete technische Angestellte auf einem Universitätsinstitut trug vor Jahren so seltsame Farbkombinationen bei ihren Kleidungsstücken, dass das sogar einem Cis-Mann wie mir auffiel. Als ich eines Tages eine Bemerkung fallen ließ, sagte sie mit Tränen in den Augen, sie sei rot-grün-blind. Ich konnte das nicht glauben, da „Farbenblindheit“ genetisch bedingt ist und fast nur Männer betrifft. Ungefähr zehn Prozent der Männer aber nur wenige Frauen im Promillebereich sind rot-grün-blind. Ich zerlegte nach Dienstschluss heimlich ihr Mikroskop und baute einen Rotfilter ein. Sie arbeitete den ganzen Tag damit und bemerkte die Manipulation nicht. Danach entschuldigte ich mich, und wir kamen ins Gespräch. Sie sagte mir, dass das Wort Farbenblindheit falsch sei, da sie Farben sehen könne, aber anders. Zwei Blautöne, die ich für gleich oder ähnlich hielt, waren für sie zwei verschiedene Farben. Mehr noch. Wir waren nicht in der Lage, dem jeweils anderen zu erklären, wie wir die jeweiligen Farben sehen. Jeder von uns sah die Welt der Farben anders. Wer hatte recht? Wer hat gelogen? Natürlich weder meine Kollegin noch ich.

Schmecker

Es gibt eine organische Substanz namens Phenylthiocarbamid (PTC). Irgendwann entdeckten Chemiker, dass 70 % der Menschen diese Substanz auf der Zunge bis zu 1000-mal besser wahrnehmen können als die restlichen 30 %. Die „Taster“ empfinden PTC als äußerst widerlich, die „Non-taster“ schmecken gar nichts. Die Eigenschaft ist erblich, das Gen für das Schmecken von PTC wird dominant vererbt. Wer lügt also? Die Schmecker oder die Nicht-Schmecker. Selbstverständlich niemand.

Raumvorstellung

Eines meiner Vergehen ist verjährt, daher darf ich es hier erwähnen. Ich hatte als Schüler „Darstellende Geometrie“. Das Fach wurde auf hohem Niveau unterrichtet. Aufgrund einer entsprechenden Begabung hatte ich keine Schwierigkeiten. Wie komplex die Aufgabe auch war, ich sah alle konstruierten Gebilde samt Raumtangenten und all ihren Projektionen dreidimensional vor mir. Mein Banknachbar sah außer einem Gewirr von Linien nichts. Sosehr ich mir mit ihm Mühe gab, er konnte das, was ich sehen konnte, nicht erkennen. Ich half ihm heimlich bei den Schularbeiten und rettete ihn so vor dem Verderben. Mein Schulfreund hatte andere Fähigkeiten, die ich nicht hatte. Es geht hier nicht um Lüge und Wahrheit, sondern um vielfältige Wahrnehmungen der Welt in unseren Gehirnen. Diese Verschiedenheit der Wahrnehmung spielt eine größere Rolle, als wir glauben.

Verbotene Wissenschaften

Im Nationalsozialismus bekam Schwierigkeiten, wer die „jüdische Physik“ (Quantenphysik und Atomphysik) für relevant hielt. Im Kommunismus unter Josef Stalin war es verboten, die Mendelschen Erbgesetze für belegt zu halten. Wer es dennoch tat, wie der brillante russische Botaniker Nikolai Wawilow, bezahlte mit dem Leben. Stalin ließ Wawilow ermorden, weil dieser die damals propagierte Pseudowissenschaft des Trofim Lyssenko ablehnte. Was Wahrheit ist, bestimmten die Mächtigen.

Inquisition

Die Absicht der kommenden deutschen Koalition wäre, wenn sie umgesetzt werden sollte, der direkte Weg in Richtung der Demolierung der Meinungsfreiheit. Es gibt einen schlimmen historischen Fall, der eine Mahnung sein sollte. Der italienische Astronom und Mathematiker Galileo Galilei wurde von einem Inquisitionsgericht am 22. Juni 1633 in Rom verurteilt. Er hatte sinngemäß argumentiert, er könne beweisen, dass Nikolaus Kopernikus (der Mann mit der Sonne im Mittelpunkt) recht hatte. Das passte Papst Urban VIII und der Inquisition nicht, denn wegen des dreißigjährigen Krieges, der gerade wütete, hatte der Papst andere Sorgen. Also konstruierten die Inquisitoren einen Anklagepunkt. Sie beriefen sich auf ein siebzehn Jahre altes Papier, in dem Galilei aufgetragen wurde, die Ideen des Kopernikus nicht als wissenschaftliche Theorie, sondern nur als These zu behandeln. Galilei wurde also nicht angeklagt, weil er die Bibel oder die Kirche in Frage gestellt hätte. Die Inquisitoren konnten ihm nur vorwerfen, ein altes Papier missachtet zu haben. Die Kardinäle des Gerichts waren sich nicht einig. Drei von ihnen unterschrieben das Urteil nicht, trotzdem wurde Galilei zu Hausarrest und Lehrverbot verurteilt.

Wir erleben in den letzten Jahren, dass die Justiz immer öfter gegen politische Gegner in Marsch gesetzt wird. Es geht dabei nicht darum, tatsächliche Vergehen und Verbrechen zu verharmlosen, sondern darum, dass eine immer stärker werdende selektive Vorgehensweise gegen bürgerliche Politiker zu erkennen ist.

Die Welt ist für schlichte Gemüter schwarz-weiß oder gut-böse. Die Welt hat jedoch viele Klänge statt einfacher Töne, Millionen Farbschattierungen statt weniger Farben und unendlich viele Wahrheiten und genau so viele Lügen. Damit müssen wir leben. Immer dann, wenn uns arrogante Mächtige vorschreiben, was Wahrheit und Lüge zu sein hat, werden Freiheit und Demokratie eingestampft. Gewisse Regierungen überlassen derzeit die Wahrheitsindustrie ihren GONGOs (Government Organized Non Government Organizations). Die Vorgehensweise findet man im Roman „1984" sowie bei Kommunisten und Nationalsozialisten.



© 2025 Rudolf Öller, Bregenz  [/2025/roe_2515]


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Helden der Wissenschaft:
Gerard Peter Kuiper
(1905-1973)
war der bedeutendste Planetenforscher des 20. Jahrhunderts. Er war an mehreren NASA-Projekten beteiligt, und nach ihm ist der Kuipergürtel benannt.

 


Rudolf Oeller:

Typhon District

Thriller über eine Gruppe von Wissenschaftlern, die an ihrem eigenen Projekt zugrunde ging.
Europa Verlagsgruppe. ISBN 9791220149914

Als Ben, ein Molekularbiologe, um Hilfe gebeten wird, weil die Schimpansenweibchen im Zoo keinen Nachwuchs bekommen, ahnt er noch nicht, dass seine Welt bald aus den Fugen geraten wird. Die Ursache der Zeugungsunfähigkeit ist nämlich eine Chromosomenmutation der Affendamen, und die bringt seinen Chef auf eine folgenreiche Idee. So entsteht das unter Verschluss gehaltene Projekt Typhon District, benannt nach einem Hybridmonster aus der Mythologie. Erst allmählich kommen bei Ben und seinem internationalen Team Zweifel auf. Doch da sind sie bereits tief in einem Strudel von Geld und Machtgier, Manipulation und Skrupellosigkeit gefangen. Nicht nur ihre eigenen Leben sind bedroht. Als sie das bemerken, ist es bereits zu spät.

Das Buch ist sowohl im Handel als auch im Internet erhältlich.
Mein Interview auf YouTube.