Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2024

Es ist besser als ein Wolf zu sterben, denn als ein Hund zu leben.
(Herbert Wehner)


29. April 2024


Übersicht

ERFOLG DURCH IRRTUM


Es ist üblich, der Wissenschaft entweder bedingungslos zu vertrauen oder blindlings zu misstrauen. Beides ist falsch, daher seien einige grundsätzliche Anmerkungen erlaubt. Die eine Wissenschaft gibt es genauso wenig wie den einen Kapitalismus. Beide haben jedoch etwas gemeinsam. Freie Wissenschaft und freie Wirtschaft (oft als "Kapitalismus" angefeindet) sind nur deshalb erfolgreich, weil der Irrtum zugelassen wird. Freie Wirtschaft und freie Wissenschaft sind voll von Fehlern, die dazu führen, dass wir am Ende gescheiter sind als vorher.

Sowohl die freie Wissenschaft als auch die Wirtschaft haben dogmatische Ableger, die immer und immer wieder scheitern. Inzwischen gibt es so viele (erfolglose) esoterische Richtungen, dass es in allen Ländern Organisationen gibt, die mit dem Auflisten und Beschreiben kaum noch nachkommen. In englischsprachigen Ländern ist es die CSI (Committee for Skeptical Inquiry), in deutschsprachigen Ländern gibt es die GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften). Verfolgt man esoterische Modeströmungen über viele Jahre, so erkennt man schnell, dass esoterische Lehrmeinungen mangels an Relevanz immer wieder verschwinden und durch neue pseudowissenschaftliche Thesen ersetzt werden.

Galilei, Newton, Darwin

Auch der Wissenschaft wird immer wieder vorgeworfen, Altes wegzuwerfen, um Neues auf einen virtuellen Thron zu heben. Das stimmt nur zum Teil. Der italienische Astronom Galileo Galilei glaubte, dass sich die Sonne im Zentrum des Universums befindet. Das war ein Irrtum. Trotzdem gilt Galilei als einer der Begründer der modernen experimentellen Wissenschaften. Isaac Newton nahm an, dass es einen absoluten und ruhenden Raum gibt. Diesen Irrtum hat später Albert Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie beseitigt. Trotzdem ist Newton einer der großen Begründer der modernen Physik. Die beiden Engländer Charles Darwin und Alfred Wallace haben trotz einiger Fehler die moderne Evolutionstheorie entwickelt, die heute zum zentralen Wissen in der Biologie gehört. Darwin und Wallace zählen heute dennoch zu den Titanen unter den Biologen. Es waren fast immer Fehler, die auf Umwegen zu neuem Wissen führten.

Fahnen und Parolen

Was in den Wissenschaften die Esoterik ist, das ist in der Wirtschaft der Sozialismus. In der Esoterik und im Sozialismus gibt es offiziell keine Fehler, da es sich um vermeintlich unfehlbare Systeme handelt. Es gab den sowjetischen, den maoistischen, den kambodschanischen, den kubanischen, den jugoslawischen, den albanischen Weg und noch unzählige andere gescheiterte Trampelpfade hin zum Sozialismus. Die sozialistische Politik in Venezuela und Bolivien führt aktuell und wie erwartet in die wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Esoteriker und Sozialisten erfinden immer wieder neue Taktiken, nur um zielsicher in Sackgassen zu landen und mit Fahnen und lauten Parolen in Mauern zu krachen.

Leider werden nicht selten Esoterik, seriöse Wissenschaft und sozialistische Thesen zu einem Brei vermengt, der auf den ersten Blick als "Wissenschaft" daher kommt und sich bei grünen Ideologen großer Beliebtheit erfreut. Das sei an einem Beispiel erklärt. Nehmen wir an, wir wollen in einen Kochtopf einen halben Liter Wasser gießen. Der Topf hat 20 cm Durchmesser. Wie hoch steigt das Wasser? Dazu dividieren wir das Volumen des zugefügten Wassers durch die kreisförmige Fläche des Bodens. Die hat etwas mehr als 300 Quadratzentimeter. Den halben Liter müssen wir jetzt durch die gut 300 Quadratzentimeter dividieren und erhalten 1,6 Zentimeter – ein Fingerbreit.

Gletscherschmelze

Wir betrachten die Weltmeere und das Volumen der Gletscher. Hier haben wir es mit großen Zahlen zu tun, aber die Mathematik bleibt die Gleiche. Die Erde ist zwar annähernd eine Kugel, aber die Größenordnung des Anstiegs des Meeresspiegels beim Schmelzen der Gletscher kann man dennoch berechnen. Es gibt im Deutschlandfunk eine Sendung namens "Forschung aktuell". In einer Sendung im September 2020 wurde die Menge des wegen der Gletscherschmelze ansteigenden Wassers in Gletscherseen weltweit mit 156 Kubikkilometern angegeben. Der Deutschlandfunk rechnete damals vor, dass bei einer Entleerung der Gletscherseen der Meeresspiegel um mehr als vier Zentimeter steigen würde. Tatsächlich ergibt sich rechnerisch ein halber Millimeter Anstieg.

Nostradamus

Schlimm wird es, wenn versucht wird, mit Hilfe pseudowissenschaftlicher Methoden die Zukunft vorauszusagen, wie es Klima"wissenschaftler" gerne machen. Zurzeit hat wieder einmal der alte Pestarzt Nostradamus das Sagen, der seine Prognosen so nebulös umschrieb, dass man deuten kann, was man will. Eine der wenigen Nostradamus-Weissagungen mit Zeitangabe betrifft das Jahr 1999. Es heißt da im Vers X,72: Im Jahr 1999 … wird ein großer König des Terrors vom Himmel kommen. Den großen König von Angolmois wird er zum Leben erwecken, um vor und nach Mars mit Glück zu regieren." Nostradamusdeuter glaubten, den Beginn eines großen Krieges oder gar den Weltuntergang herauslesen zu können. Tatsächlich gab es 1999 nichts Aufregenderes als eine von Astronomen korrekt vorhergesagte Sonnenfinsternis in Mitteleuropa. Die "Berechnung" der Welttemperatur für das Jahr 2100 hat somit etwas Nostradamisches.

Die Österreichische Schule der Nationalökonomie (Ludwig von Mises) als weltweit gepriesene Leittheorie der freien Wirtschaft und die (Natur-)Wissenschaften sind komplex und führen auf dem Weg zum Erfolg – man muss es wiederholen – bisweilen über Minenfelder von Fehleinschätzungen. Es erscheint paradox, dass Systeme, die Fehler zulassen, erfolgreich sind, während dogmatische Systeme mit erfundenen "Wahrheiten" wiederholt  gegen Betonwände krachen. Esoterik, Langfristprognosen und simples Moralisieren sind halt unausrottbare Spielereien für Leute, die Beschäftigungen mit schwierigen Themen lieber aus dem Weg gehen.



© 2024 Rudolf Öller, Bregenz  [/2024/roe_2409]


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(1627-1691)
war ein Wunderkind, das mit acht Jahren griechisch und lateinisch sprach und die Thermodynamik durch bahnbrechende Theorien revolutionierte.

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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Interview zum Buch