Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2022

Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.
(Nelson Mandela)


21. Dezember 2024


Übersicht

CARGO CULT


Der Begriff der Freiheit durchzieht die Geschichte der Menschheit. Zunächst war die Freiheit ein einfacher Gedanke. Freiheit ist die Möglichkeit, so zu handeln, wie man will. Irgendwann waren Denker damit nicht zufrieden. Sie dachten über die Pflicht des Menschen nach, und das war der Beginn allen Übels. Nicht, dass es keine Pflicht gäbe – etwa die selbstverständliche Pflicht der Sorge für Behinderte, Kinder und Kranke – aber Pflicht definiert jeder "Denker" anders. Pflicht lässt sich aus dem freien Willen nicht ableiten. Diesen Mangel beseitigten im Laufe der Jahrhunderte Herrscher und diverse Ideologen. Man versprach den Menschen Freiheit, um sie in Wahrheit zu verpflichten und zu schikanieren.

Was hat man nicht alles versucht, um die Menschheit im Namen der Freiheit zu quälen! Man erfand Begriffe wie etwa den "homo novus". Während der Französischen Revolution wurde der Mensch zum "l'homme nouveau". Bei Friedrich Nietzsche hieß er "Übermensch", die Nationalsozialisten erfanden eine "völkische Lichtgestalt", und bei den Sozialutopisten hieß der programmierte Mensch "New man" oder – in Skandinavien – "ny människa". Bei den Kommunisten war der neue Mensch ein Proletarier.

Bei den griechischen Philosophen Sokrates und Platon ging es um Freiheit und Schicksal, bei Epikur um Freiheit von Leiden und im Mittelalter hatte man frei von Schuld und Sünde zu sein. Künstler und Wissenschaftler verstehen Freiheit als Möglichkeit, eigene Ideen in die Tat umsetzen zu können. Die Existenzphilosophen der Moderne haben Freiheit schließlich so umständlich definiert, dass niemand mehr versteht, worum es geht.

Dressur

Kaiser, Könige, Päpste, Fürsten, Inquisitoren, Ideologen, Diktatoren und andere haben über die Jahrhunderte versucht, die Freiheit in ihrem Sinne zu definieren, meist jedoch gänzlich abzuschaffen. Einige wenige haben auf die sanfte Tour versucht, die Untertanen in ihrem Sinne zu dressieren, was immer nur kurzfristig funktioniert hat. Die meisten sind blutig vorgegangen. Konkrete Beispiele müssen nicht erwähnt werden.

Heute erleben wir in Echtzeit eine Serie von Versuchen, den Menschen erneut die Freiheit zu nehmen. Es geht um die Ideologien des Genderismus, des politischen Korrektismus und des Wokismus. Die Lage ist inzwischen so unerträglich, dass in Westeuropa und in den USA ein einziges falsches Wort in der Öffentlichkeit genügt, um eine Existenz zu vernichten. Das Erstaunliche an der Entwicklung liegt darin, dass die Protagonisten der neuen Ideologien nicht gerade die Hellsten sind. In der Regel handelt es sich um Zivilversager.

Selbsttäuschung

Die Sache erinnert an die "Cargo Cult"-Geschichte. Der grandiose Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman hat 1974 anlässlich einer Festrede an der Elite-Universität California Institute of Technology (Caltech) den Ausdruck "Cargo Cult Science" verwendet. Der Begriff kann nur schwer übersetzt werden. Es ist nach Feynman eine Form von Wissenschaft, die im Gegensatz zu den vielen Pseudowissenschaften die formalen Kriterien einer wissenschaftlichen Vorgehensweise gerade noch erfüllt, der aber die innere Konsistenz fehlt. Cargo Cult Science kann als Inbegriff der Selbsttäuschung gesehen werden.

Feynman beschrieb ein Beispiel für Cargo Cult Science. Auf den pazifischen Samoainseln bewunderten die Einheimischen die Flugzeuge, die während des 2. Weltkrieges gelandet waren und faszinierende neue Dinge gebracht hatten. Bald darauf entstand ein denkwürdiger Ritus. Die Eingeborenen legten künstliche Landebahnen an, neben denen sie Feuer entzündeten, um die Signallichter nachzuahmen. In einer Holzhütte saß ein Eingeborener mit hölzernen Kopfhörern. Auch Radartürme aus Holz wurden gebaut und einige andere Geräte, um so die Flugzeuge anzulocken, die ihnen noch mehr schöne Dinge bringen sollten. Sie machten der Form nach alles richtig, aber es funktionierte nicht. Kein einziges Flugzeug landete.

Professor Feynman machte sich mit seiner Erzählung nicht über die Eingeborenen lustig. Er verwendete das Beispiel nur, um den Studenten klarzumachen, dass Cargo-Kult-Riten von Ideologien nicht zu unterscheiden sind. Es ist so gut wie unmöglich, den Betreibern einer Cargo Cult Science die Aussichtslosigkeit ihres Bestrebens zu erklären, denn nichts ist so mächtig wie eine Selbsttäuschung – der siamesische Zwilling der Ideologie.

Innere Widersprüche

Genderismus, neue Geschlechterthesen, Wokismus und verwandte Ideologien in Europa und in den USA haben mit Wissenschaft nichts zu tun. Es ist Cargo Cult plus Meinungsterror. Diejenigen, die glauben, man müsse die Sprache ändern, um das Bewusstsein für Gerechtigkeit zu schärfen, befinden sich in der Position der Eingeborenen, die Flugplätze aus Bambus bauen. Die inneren Widersprüche des Genderismus, des politischen Korrektismus und des Wokismus sind so enorm, dass sie ganze Bibliotheken füllen würden, werden von den Cargo-Cult-Wokies jedoch nicht erkannt oder vollkommen ignoriert.

Der allumfassende Schwachsinn entstand, als Sozialdemokraten, Grüne, US-Demokraten und andere Parteien Studenten der Gesellschafts"wissenschaften" in die Parteien holten und aufwerteten. Migrations-, Armuts-, Sexismus-, Rassismus-, Postmodernismus- und sonstige "Forschende" begannen nach und nach, Cargo Cult mit "Wissenschaft" gleichzusetzen und in der Folge die Inquisition des 17. Jahrhunderts samt Hexenprozessen wiederzubeleben. Abweichler werden heute gesellschaftlich verfolgt, denunziert und viele von ihnen ruiniert.



© 2022 Rudolf Öller, Bregenz  [/2022/roe_2237]


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Helden der Wissenschaft:
Ejnar Hertzsprung
(1873-1967)
begründete mit Hilfe des Hertzsprung-Russel-Diagramms die moderne Kosmologie.


Rudolf Oeller:

Typhon District

Thriller über eine Gruppe von Wissenschaftlern, die Gott gründlich ins Handwerk pfuscht und dabei zugrunde geht.
Europa Verlagsgruppe. ISBN 9791220149914

Alles beginnt mit einer harmlosen Untersuchung: Als Ben, ein Molekularbiologe, um Hilfe gebeten wird, weil die Schimpansenweibchen im Zoo keinen Nachwuchs bekommen, ahnt er noch nicht, dass seine Welt bald aus den Fugen geraten wird. Die Ursache der Zeugungsunfähigkeit ist nämlich eine Chromosomenmutation der Affendamen, und die bringt seinen Chef auf eine folgenreiche Idee. So entsteht das unter Verschluss gehaltene Projekt Typhon District, benannt nach einem Hybridmonster aus der Mythologie. Erst allmählich kommen bei Ben und seinem internationalen Team Zweifel auf. Doch da sind sie bereits tief in einem Strudel von Geld und Machtgier, Manipulation und Skrupellosigkeit gefangen. Nicht nur ihre eigenen Leben sind bedroht. Als sie das bemerken, ist es bereits zu spät.

Das Buch ist sowohl im Handel als auch im Internet erhältlich.