Die Grenzen zwischen Leben und komplexer Chemie beginnen immer mehr zu verschwimmen. Nichts offenbart die weiche Schnittstelle zwischen Biochemie und Biologie deutlicher als der diesjährige Chemienobelpreis, den ein Türke, ein Amerikaner und ein gebürtiger Schwede erhalten haben. Alle drei haben in den USA geforscht, wodurch die Preise auch diesem Land zuzuordnen sind.
Aziz Sancar, geboren in Savur (Türkei), ist der erste türkische Inhaber eines wissenschaftlichen Nobelpreises. Er ist Arzt, der sich entschloss, auch Biochemie zu studieren. Paul Modrich, geboren in New Mexico, arbeitete und forschte an der Duke University in North Carolina (USA) und der gebürtige Schwede Thomas Lindahl arbeitete in Stockholm, in den USA und zuletzt in Großbritannien.
Ein Modell, zumindest aber eine Schautafel der DNA, das weltbekannte Molekül der Gene, steht heute in jedem Biologiesaal einer höheren Schule. Bilder sind jederzeit erhältlich. Es genügt, in einer Internetsuchmaschine „DNA“ einzugeben und auf „Bilder“ zu kicken. Die Struktur der DNA war vom Amerikaner James Watson und vom Engländer Francis Crick in mühevoller Kleinarbeit 1953 entschlüsselt und veröffentlicht worden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieses Molekül tatsächlich der Träger der Gene ist, stürzten sich tausende Biochemiker und Genetiker auf diese fantastische Substanz, deren Schraubenform so unglaublich elegant aussieht, dass sie einen Design-Preis verdient hätte.
Die DNA (deutsche Abkürzung „DNS“) ist in der Lage, von sich selbst eine Kopie zu erzeugen. Da nichts im Leben perfekt ist, treten bei diesem Vorgang – auch Replikation genannt – Fehler auf. Diese nennt man Punktmutationen. Sie können entweder bedeutungslos sein oder aber dramatische Folgen haben. Eine falsch kopierte DNA kann zum Absterben einer Zelle führen oder zum planlosen Wuchern, den Krebs. Die drei Nobelpreisträger haben sich schon vor Jahrzehnten die Frage gestellt, wie stabil die DNA in Wahrheit ist. Sie sind schnell darauf gekommen, dass dieses Molekül sehr verletzlich und manipulierbar ist, was man sich in der Gentechnik seit rund vierzig Jahren zunutze macht. Da die DNA gleichzeitig aber erstaunlich stabil erscheint, muss es in den Zellen der Lebewesen Reparaturmechanismen geben.
„You should learn about this DNA-stuff“ hatte Modrichs Vater, ein Biologielehrer, vor rund 50 Jahren gesagt. Er hatte Recht. Wir wissen längst noch nicht alles über dieses erstaunliche Molekül DNA, aber die drei Nobelpreisträger haben ein großes Tor zum Verständnis der vielen Reparaturmethoden unserer Zellen aufgestoßen. Die nächsten Generationen könnten bereits davon profitieren.