Der Zerfall von Atomkernen fasziniert die Physiker seit der Entdeckung dieses Phänomens durch den Franzosen Henri Becquerel. Nachdem klar geworden war, dass beim radioaktiven Zerfall Materie auf mysteriöse Weise verschwand, kam der nobelpreisgekrönte Österreicher Wolfgang Pauli auf die Idee, die Existenz eines neuen Teilchens anzunehmen. In einem Brief an „die Gruppe der Radioaktiven“ nannte er das elektrische Teilchen „Neutron“. Später wurde das Teilchen vom Atomphysiker Enrico Fermi in „Neutrino“ (das „Neutronchen“) umbenannt. Die Physiker hatten aber ein Problem, denn das unfassbar winzige Teilchen reagiert mit Materie (fast) gar nicht und saust mit beinahe Lichtgeschwindigkeit wie ein Gespenst durch alles hindurch, auch durch uns. Pauli meinte dazu: „Ich habe etwas Fürchterliches getan. Ich habe ein Teilchen postuliert, das nicht nachweisbar ist.“ Pauli hat das einem Kollegen anvertraut, in seinen Tagebüchern findet sich kein entsprechender Eintrag.
Neutrinos sind nicht so exotisch, wie es scheint. Atomkraftwerke, die Sterne, darunter auch die Sonne, ja sogar wir selber senden Neutrinos aus, wenn in unseren Körpern radioaktive Atome zerfallen, was ja ununterbrochen passiert. Neutrinos sind nach den Photonen die zweithäufigsten Teilchen im Universum. Keine Frage, dass das die Physiker seit Paulis Zeiten interessiert.
Der Nachweis von Neutrinos ist wegen ihres kontaktscheuen Verhaltens schwierig aber nicht unmöglich. Im Neutrino-Detektor „Super-Kamiokande“ in 1.000 Metern Tiefe in einer aufgelassenen japanischen Zinkmine lagern 50.000 Tonnen extrem reines Wasser und 11.000 Lichtdetektoren. Wenn der seltene Fall passiert, dass ein Neutrino doch mit einem Atom kollidiert, dann entsteht ein schwacher blauer Lichtblitz, die „Tscherenkow-Strahlung.“
Nun haben zwei Neutrinoforscher den Physiknobelpreis bekommen. Der Kanadier Arthur Mc Donald von der Queens University in Kingston (Ontario, Canada) und der Japaner Takaaki Kajita von der Universität Tokio wurden ausgezeichnet, weil ihnen der schwierige Nachweis gelungen ist, dass Neutrinos eine Masse besitzen. Sie sind zwar winzig, aber doch auch schwer.
Das Team um den Japaner Kajita hatte herausgefunden, dass Neutrinos aus der Atmosphäre zwischen zwei Zuständen hin- und herwechseln können. Zur gleichen Zeit hatte die Gruppe um McDonald gezeigt, dass die Neutrinos auf ihrem Weg von der Sonne zur Erde mit wechselnder Identität im Sudbury Neutrino Observatorium in einer alten Nickelmine in Ontario (Canada) ankommen. Aus der Art der Umwandlungen der Teilchen konnten die Wissenschaftler den Schluss ziehen, dass Neutrinos gegen alle bisherigen Vermutungen doch eine Masse besitzen.