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IN ALLER VERBUNDENHEIT (von Univ. Prof. Dr. Kurt Kotrschal)

GASTKOMMENTAR VON KURT KOTRSCHAL
(Die Presse vom 14.07.2005)

Offener Brief eines "unvernünftigen" Biologen an Kardinal Christoph Schönborn.



Sehr geehrter Herr Kardinal, Sie unterstützten in der New York Times die neo-kreationistische Weltsicht des "Intelligent design".

Unvernünftig sei es, die Evolution als einen vom Zufall geleiteten Prozess zu begreifen. Faktisch stoßen Sie damit alle Naturwissenschaftler vor den Kopf. Sie legen Wert darauf, nicht prinzipiell gegen die Evolutionslehre zu sein oder gar als "Kreationist" zu gelten. Und Sie wollen - vernünftigerweise - über einen Generalplan in der Evolution nachdenken. Dürfen Sie, am besten in Ihren "Intelligent-design"-Kreisen. Aus naturwissenschaftlicher Sicht geht das aber nicht zusammen.

Sie erliegen einem demagogischen Relativismus, wenn Sie meinen, die Evolutionstheorie sei ja auch bloß "Ideologie". Wissenschaftstheoretisch ist Evolution "Theorie". Aufgrund der überwältigenden Evidenz gilt diese Theorie samt ihren Zufälligkeiten aber längst als Realität. Die Kirche wird sich genauso daran gewöhnen müssen wie einst an Galileis heftig bekämpftes Weltbild. Gewissheiten des Glaubens sind schon allein deshalb nicht mit naturwissenschaftlichen Theorien zu vergleichen, weil sich nur letztere ständig induktiv-empirisch an der wahrnehmbaren Wirklichkeit bewähren müssen.

So darf natürlich jeder an einen "finalen Zweck" in der Evolution glauben. Als Naturwissenschaftlern ist uns das aber allein schon methodisch verwehrt, denn wir haben uns auf überprüfbare Sätze zu beschränken. Dass alles auf der Welt letztlich von Gott geschaffen sei, mag zwar durchaus zutreffen, liegt aber, weil unüberprüfbar, nicht in der Zuständigkeit der Naturwissenschaftler. Sie müssen die Evolution angesichts der Faktenlage als ungerichteten Prozess sehen. Alles andere wäre Wunschdenken. Das muss aber niemanden daran hindern, trotzdem an Gottes Schöpfungsplan zu glauben. Da sich ein Gott, der diesen Namen verdient, wohl für alle Ewigkeit der wissenschaftlichen Testbarkeit entziehen wird, werden wir es aber niemals wissen, Vernunft hin oder her. Daher, Herr Kardinal, ist Ihnen vorzuwerfen, dass Sie in unzulässiger Weise die Ebenen des Glaubens und der naturwissenschaftlichen Aussagen vermischen.

Ach ja, die Vernunft: Sie meinen wohl das, was man gemeinhin mit Intuition oder "Hausverstand" bezeichnet. Wir wissen, dass das menschliche Gehirn es großartig versteht, auf seine eigenen Vorurteile hereinzufallen. Letztlich hat dieses Gehirn auch Gott erfunden (was natürlich nichts über dessen reale Existenz aussagt). Um aus so einem Neuronenhaufen ein wissenschaftstaugliches Instrument zu formen, muss man ihm vor allem mühsamst beibringen, seiner eigenen "Vernunft" zu misstrauen. Denn naturwissenschaftliche Zusammenhänge widersprechen oft der Intuition. Das gilt nicht nur für die Evolutionstheorie, fragen Sie doch mal nach beim Experimentalphysiker Zeilinger. Haben wir nach Ihrem populistischen Appell an die "Vernunft" nun als nächstes Kritik am "entarteten Denken" der Naturwissenschaftler zu erwarten?

Herr Kardinal, sehen Sie nicht, wie unhaltbar es ist, wenn Sie als Vertreter einer Schöpfergott-Religion die Biologen, also den Profis für die Entschlüsselung von "Gottes Schöpfungsplan", lehren wollen, wie Evolution funktioniert? Haben Sie sich nicht in der Argumentationsebene vergriffen? Man könnte Ihren altmodischen Mut bewundern, sich im Namen von Kirche und Papst auf die Seite der Kreationisten zu stellen. Denn das tun Sie mit Ihrem Eintreten für "intelligent design" (letztlich ist ein "bisschen Kreationismus" genauso unmöglich wie ein "bisschen schwanger"). Es bleibt Ihnen unbenommen, aus den Ihnen genehmen Elementen von Darwinismus und Kreationismus eine Katechismus-konforme Weltsicht zu puzzeln, aber ich hoffe, Sie wollen damit nicht ernst genommen werden.

Eine Hauptfront im Kampf der Kulturen auf dieser Welt verläuft heute weniger zwischen Christentum und Islam, sondern zwischen Fundamentalismus und Aufklärung. Die Fundamentalisten haben bekanntlich die Wahrheit gepachtet (nun auch die Vernunft?). Finden Sie nicht, dass Sie und die Kirche wieder einmal auf der falschen Seite stehen?

Sie zetteln einen unnötigen Kulturkampf an, den die Kirche letztlich genauso verlieren wird wie alle ihre bisherigen Kämpfe gegen die Sachinhalte der Naturwissenschaften. Dabei könnten Biologie und Glaube in Anerkennung der unterschiedlichen Betrachtungsebenen sehr gut miteinander leben und voneinander lernen. Das von Ihnen ausgelöste Gezänk um das Monopol der Erklärung von Welt und Mensch ist schlicht von gestern, es riecht unfein nach kirchlichem Machtanspruch. Biologen könnten Ihre Äußerungen nicht als Einladung zum Gespräch verstehen, wie manche Theologen nun meinen, sondern als Kriegserklärung. Schade, wäre auch anders gegangen.

Begehrlichkeit nach den Früchten vom Baum der Erkenntnis soll die Ursache für die Vertreibung aus dem Paradies gewesen sein. Begründet dieser Mythos wirklich ein dauerhaft gestörtes Verhältnis der (katholischen) Kirche zu Aufklärung und Naturwissenschaften?

Ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Kotrschal lehrt am Department für Verhaltens-, Neuro- und Kognitionsbiologie der Universität Wien und ist Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal in Oberösterreich.
Kotrschal zählt zu den profiliertesten Verhaltensforschern.
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© 2005 Kurt Kotrschal/Die Presse (14.7.2005)


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