Welt der Naturwissenschaften
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UNENDLICH |
Irgendwann hat jeder Schüler seine Null-Erlebnisse. Wenn man Null durch eine beliebige Zahl dividiert, kommt immer Null heraus. Wenn man aber eine beliebige Zahl durch Null dividiert, dann streikt jeder Taschenrechner. Eins dividiert durch Null bedeutet nichts anderes als dass Null unendlich oft in jeder beliebigen Zahl enthalten ist, und das verkraftet keine Rechenmaschine. Das Unendliche hatte immer etwas Geisterhaftes an sich. Die Mathematiker waren die ersten, die das verstanden haben. Unendlich mal zehn ist genauso unendlich wie Unendlich geteilt durch zehn. Mathematiker haben versucht, das Unendliche in den Griff zu bekommen, manchmal mit einer Portion Humor. Der Begründer der Mengenlehre, der deutsche Mathematiker Georg Cantor (1845 – 1918) meinte dazu einmal: „Die höchste Voll-kommenheit Gottes ist die Möglichkeit, eine unendliche Menge zu erschaffen, und in seiner unendlichen Güte tut er es auch.“ Die Mathematiker, die mit dem Unendlichen ganz selbstverständlich operieren, verwenden die liegende Acht, ein Zeichen, das verschiedene Ursprünge hat. Dieses ominöse Zeichen wurde erstmals vom englischen Mathematiker John Wallis (1616 – 1703) verwendet. Wallis war ein Wegbereiter der vom Engländer Isaac Newton und vom Deutschen Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelten Differential- und Integralrechnung. Diese Rechenmethode, die aus Mathematik und Technik nicht mehr wegzudenken ist, arbeitet mit unendlich kleinen Größen. Wallis wusste, dass das römische Zeichen 'M' für 1000 im 7. Jahrhundert auch als Zeichen für eine sehr große Zahl verwendet wurde. Der niederländische Mathematiker und Philosoph Bernhard Nieuwentijt (1654 – 1718) hatte 'm' bereits für unendlich verwendet. Schließt man das 'm' unten zu, dann ergibt sich eine unendliche Schleife, eben das Zeichen für Unendlich. Dieses ominöse Zeichen hat noch einen anderen Ursprung. Das übliche „Venezianische Tarot“, das Kartenleger verwenden, hat sich im 15. Jahrhundert entwickelt. Auf jeder Karte ist eine Figur abgebildet. Der Magier oder Schwindler („el Mago“, eine Männergestalt) und die Kraft („la Fuerza“, eine Frau) tragen Schlapphüte mit geschwungener Krempe, was wie eine liegende Acht aussieht. Auf Basis dieser Bilder entwarf der Amerikaner Arthur Edward Waite später ein etwas moderneres Tarot. Die geschwungene Hutkrempe mutierte dabei zu einer Art Unendlichkeits-Heiligenschein. Das Unendliche hat inzwischen etwas von seinem Zauber eingebüßt. Physiker und Mathematiker arbeiten heute mit endlichen, unendlichen und hyperunendlichen Mengen. Auch Schüler, die eine Integralrechnung lösen, arbeiten mit unendlich klei-nen Größen, die unendlich oft aufsummiert werden. |
Die allmächtige Zeit
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© 2007 Rudolf Öller, Bregenz |