Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2016

Die Volksbegeisterung in unsern letzten Freiheitskriegen ward wie die Jungfrau von Orleans unter ihrer eigenen Fahne begraben.
(Wolfgang Menzel)


28. März 2024


zurück Übersicht weiter

BETRUG (1): PILTDOWN


Das 19. Jahrhundert brachte erstmals Licht ins Dunkel unserer Abstammung. Im Neandertal bei Düsseldorf wurde der Schädel einer prähistorischen Menschenform gefunden. Später stellte sich heraus, dass die „Neandertaler“ überall in Europa und im Nahen Osten gelebt haben. 1868 tauchte in einer südfranzösischen Höhle erstmals ein Fund unseres direkten Vorfahren auf. Der Cro Magnon Mensch war bereits ein moderner Homo sapiens.

Die Engländer waren eine Zeitlang beleidigt, weil sie auch einen Ur-Engländer haben wollten. 1912 stieg die Begeisterung, als Arthur Smith Woodward und Charles Dawson auf einer Sitzung der geologischen Gesellschaft in London berichteten, dass sie ein Bindeglied zwischen Menschen und Affen gefunden hätten.  Die entsprechenden Schädelteile waren in einer Schottergrube in der Nähe von Piltdown (Grafschaft Sussex) gefunden worden. Die Schädeldecke war eindeutig menschlich, der Unterkiefer war eher einem Affen zuzuordnen. Wegen der an der Fundstelle entdeckten Tierfossilien schätzte man den „Piltdown-Menschen“ auf ein Alter von einer halben Million Jahre. Die gleichzeitig entdeckten Steinwerkzeuge deuteten auf ein intelligentes Wesen hin. Voll Begeisterung wurde der Fund „Eoanthropus dawsoni“ (Dawson-Mensch der Morgenröte) genannt.

Anthropologen außerhalb von Großbritannien meldeten Zweifel an. Irgendwie schien der große Unterkiefer nicht zum kleinen Schädel zu passen, aber jegliche Kritik wurde sofort beiseite gewischt. In den nachfolgenden Jahren wurden die bei der Entdeckung Beteiligten mit Ehrungen überhäuft. Es gab Adelstitel und für den früh verstorbenen Charles Dawson wurde ein Denkmal errichtet. 1935 tauchten neuerlich Zweifel am Piltdown-Fund auf, was in England als Schande betrachtet wurde. Das Dawson-Denkmal wurde zum Nationaldenkmal erhoben.

Im Lauf der Jahre verbesserten sich die Analysemethoden. Mit Hilfe von genauen Messungen konnte nachgewiesen werden, dass der Schädel höchstens 50.000 Jahre alt war. Der Kieferknochen eines Affen, der in Wahrheit gar nicht zum Schädel passte, war noch jünger. Ein genauer Blick auf die Zähne brachte den Betrug endgültig ans Licht. Die Zähne waren nachbearbeitet worden, um sie menschenähnlich aussehen zu lassen. Im November 1953 meldete die „Times“ in großer Aufmachung, dass der Piltdown-Mensch als Fälschung einzustufen ist.

Es ist bis heute nicht bekannt, wer die Fälschung anfertigte. Zu den Verdächtigen gehört auch Sir Conan Doyle, der Erfinder von Sherlock Holmes. Sein Haus lag in der Nähe des Fundortes. Die Zahl prähistorischer menschlicher und vormenschlicher Funde geht heute übrigens in die Tausende. Jeder weitere Betrugsversuch ist dadurch sinnlos geworden.




© 2016 Rudolf Öller, Bregenz



Frontpage Übersicht Sitemap Joker Kontakt und Videos
1996 1997 1998 1999 2000
2001 2002 2003 2004 2005
2006 2007 2008 2009 2010
2011 2012 2013 2014 2015
2016 2017 2018 2019 2020
2021 2022 2023 2024

Helden der Wissenschaft:
Hermann von Helmholtz
(1821-1894)
war Arzt, Physiologe, Physiker, Philosoph, kurzum ein Universalgelehrter, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Er war in der Medizin, in der Physik und in der Biologie zu Hause. Respekt!

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

Das Buch ist bei Amazon, bei anderen Online-Händlern, beim Verlag und auch im Buchhandel erhältlich.

Interview zum Buch