Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

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(Wolfgang Menzel)


28. März 2024


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CHIMÄREN


In den letzten Wochen mag manchem Leser ein Schauer über den Rücken gekrochen sein, als von embryonalen Mensch-Tierwesen, von so genannten „Chimären“ zu lesen war. Der Begriff „Chimäre“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Ziege (Chimaira). Es handelt sich um ein Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Chimäre ist eine Tochter von Echidna und Typhon, ihre Geschwister sind Hydra, Zerberus und Sphinx. Der Dichter Homer beschreibt die Chimäre als Wesen mit einem Löwen- und einem Ziegenkopf, der Schwanz ist eine Schlange. Eine nicht gerade friedliche Sippschaft.

In der Biologie versteht man unter Chimären Mischwesen, die aus dem Erbgut verschiedener Zellsorten entstanden sind. Hybride sind etwas anderes. Kreuzt der Züchter zwei Rassen einer Tier- oder Pflanzenart, dann spricht man bei den Nach-kommen von Hybriden oder Bastarden. Sind alle Hybride unfruchtbar, so hat man es mit verschiedenen Arten zu tun, wie etwa Pferd und Esel, deren Nachkommen (Muli und Maulesel) sich nicht weiter fortpflanzen können. Die Definition einer biologischen Art lautet daher: Mitglieder einer Art (species) nützen einen gemeinsamen Genpool. Der Genpool der einer Art (z.B. Pferd) ist vom dem einer anderen Art (z.B. Esel) getrennt. Daneben gibt es auch Halbarten, von denen sich nur ein Teil ihrer Nachkommen nicht fortpflanzen kann. Es handelt sich dabei um neu entstehende Arten, die sich erst im Laufe der Evolution vollständig trennen werden.

In der Biologie werden Chimären verschiedener Zellsorten schon lange erzeugt. In der Botanik benutzt man sie zu Produktion bestimmter Pflanzensorten. In der Medizin finden Chimären seit zwei Jahrzehnten Anwendung bei der (nobelpreisgekrönten) Erzeugung monoklonaler Antikörper. Es gibt auch natürliche Chimäre. Es kann vorkommen, dass zwei befruchtete Eizellen im Mutterleib oder bei einer künstlichen Befruchtung in vitro miteinander verschmelzen. Der daraus entstehende Organismus besteht aus zwei Zellfamilien, die sich in ihrer DNA unterscheiden.

Die öffentliche Kritik der letzten Wochen richtete sich gegen die Entscheidung des britischen Parlaments, die Erzeugung von Mensch-Tier-Chimären zu erlauben, nachdem genetisches Material aus menschlichen Hautzellen in die Eizellen von Kühen eingebracht worden war. Dabei geht es nicht um die Erzeugung monströser Tier-Mensch-Mischwesen (was wirklich niemand will), sondern um genetische Grundlagenforschung im Bereich der Stammzellen. Mit einem Frevel gegenüber der Schöpfung, wie in einigen herben Stellungnahmen behauptet wird, hat die Sache – noch – nichts zu tun, es sei denn, man bezeichnet die moderne Biologie insgesamt als Frevel.




© 2008 Rudolf Öller, Bregenz


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Helden der Wissenschaft:
Hermann von Helmholtz
(1821-1894)
war Arzt, Physiologe, Physiker, Philosoph, kurzum ein Universalgelehrter, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Er war in der Medizin, in der Physik und in der Biologie zu Hause. Respekt!

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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