Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 1997

Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit; das ist der Grund, warum die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.
(George Bernard Shaw)


23. April 2024


zurück Übersicht weiter

RETORTENTECHNIK

Louise Brown kam auf die Welt, wie es sich Mütter nur erträumen können: gesund, millionenschwer und weltberühmt. Louise, die am 25. Juli 1978, also vor genau 19 Jahren in Oldham (England) durch Kaiserschnitt zur Welt kam, war kein gewöhnliches Baby. Louise war das erste Retortenbaby der Geschichte. Boulevardblätter verkündeten in riesigen Buchstaben, daß es sich um das "Baby des Jahrhunderts" handle. Die Londoner Zeitung "Daily Mail" berichtete exklusiv über "Lovely Louise", denn Mutter Lesley Brown hatte die Geschichte des ersten Retortenkindes um knapp 10 Millionen Schilling an das Blatt verkauft.

Der Medienrummel um das erste Kind aus einem Glasgefäß (nichts anderes bedeutet der Ausdruck "Retorte") beendete den zehnjährigen Kampf der Lesley Brown um ein eigenes Kind. Gleichzeitig entstand eine Hoffnung für viele ungewollt kinderlose Frauen in aller Welt. Die beiden Männer, denen Louise Brown die irdische Existenz zu verdanken hat, waren der Biologe Robert Edwards und der Gynäkologe Patrick Steptoe. Sie hatten eine neue Ära der Medizin eingeleitet.

In der Folge diskutierten Ärzte, Journalisten, Theologen und Philosophen monatelang mehr oder weniger erregt über die schlichte Tatsache, daß neues menschliches Leben nicht mehr im weiblichen Körper sondern im Labor entstanden war. Heute leben weltweit tausende Menschen, deren Leben in einem Reagenzglas begann. Eine genaue Zahl ist unbekannt.

Die andere Seite der Medaille wurde seinerzeit nur von wenigen aufmerksamen Ärzten und Biologen beachtet. Die Retortentechnik ermöglicht nicht nur die Erfüllung eines Kinderwunsches. Es öffnet sich auch die Möglichkeit, an einem ganz großen Rad zu drehen: das große Spiel mit dem menschlichen Erbgut, der Griff nach den Genen. Die Zygote - so nennen Genetiker die befruchtete Eizelle - kann beliebig bearbeitet und manipuliert werden, und was Wissenschaftler können, tun sie irgendwann auf jeden Fall.

In der Zwischenzeit verging kein Jahr ohne Meldungen über seltsame Verwandtschaften. Großmütter trugen mit Hilfe der Retortentechnik ihre eigenen Enkelkinder, Tanten ihre eigenen Neffen und Nichten aus. Sogar schlappen Samenzellen kann geholfen werden. Mit Hilfe der "Mikromanipulation" drücken Biologen schwächliche Spermien direkt durch die Eihülle oder öffnen ihnen mit Hilfe von dünnen Glasnadeln oder Laserstrahlen den Weg.

In den Industrienationen ist die Unfruchtbarkeit bei Männern und Frauen im Steigen begriffen. Solange dieser vermutlich durch Umweltvergiftung, Alkohol und Drogen hervorgerufene Trend anhält, werden Retortenärzte nie arbeitslos sein.

50 Jahre Dopellhelix
DNA-Datenbanken
HochmÜtigkeit
Gentechnik und Aberglaube
Gene und Gewalt
Epsilonklasse
Die Menschenzüchter kommen
Der 6. Tag
Science online

© 1997 Rudolf Öller, Bregenz


Frontpage Übersicht Sitemap Joker Kontakt und Videos
1996 1997 1998 1999 2000
2001 2002 2003 2004 2005
2006 2007 2008 2009 2010
2011 2012 2013 2014 2015
2016 2017 2018 2019 2020
2021 2022 2023 2024

Helden der Wissenschaft:
Gustav Robert Kirchhoff
(1824-1887)
schuf eine bahnbrechende Theorie der Ausbreitung des elektrischen Stroms und bescherte damit allen Elektrikern und Schülern die Kirchhoffschen Gesetze.

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

Das Buch ist bei Amazon, bei anderen Online-Händlern, beim Verlag und auch im Buchhandel erhältlich.

Interview zum Buch